Am Anfang eines neuen Tages
erzählen Sie ihr immer, sie sei hübsch? Sie wickeln das kleine Mädchen um den Finger, damit Sie mit ihr machen können, was Sie wollen.“
„Was fällt dir ein, so mit mir zu sprechen?“ Daniel hob die Hand, um ihr noch eine Ohrfeige zu geben, aber diesmal wehrte Lizzie sich, packte seinen erhobenen Arm und kämpfte mit ihm. Eugenia sah starr vor Schreck zu. So etwas hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen und sie schien sich nicht rühren zu können.
„Ich weiß, was Sie vorhaben, weil es die ganze Zeit vorkommt“, schrie Lizzie. „Weiße Männer sagen immer schöne Sachen, um zu kriegen, was sie wollen. Das haben Sie auch mit meiner Roselle gemacht, aber Sie werden sie nicht kriegen! Dieses Mädchen ist eine Weatherly, so wie Sie einer sind!“
Lizzies Worte trafen Eugenia, als wäre sie geschlagen worden. Wie konnte Roselle eine Weatherly sein? Was sagte Lizzie da?
Daniel schlug Lizzie erneut und diesmal wankte sie zurück und fiel.
„Daniel!“, versuchte Eugenia zu rufen. „Hör auf, Daniel!“ Aber er schien sie nicht zu hören. Eugenias Herz hämmerte so heftig, dass sie kaum zur Tür gehen konnte, während Daniel und Lizzie sich weiter stritten.
„Sie können mich so oft schlagen, wie Sie wollen“, sagte Lizzie von der Stelle aus, wo sie am Boden saß, „aber das ändert nichts daran, dass Roselle mit Ihnen verwandt ist. Fragen Sie Ihren weißen Doktor, er kennt die Wahrheit. Massa Philip hat sie ihm erzählt, in der Nacht, in der Roselle geboren wurde.“
Daniel zerrte Lizzie an einem Arm hoch, bis sie stand. „Wiederhol diese Lüge noch einmal oder sag das vor meiner Mutter, dann bringe ich dich um!“
Lizzie sah zurück zum Haus, während sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. Sie sah Eugenia in der Tür stehen, und als Daniels Blick dem ihren folgte, sah er sie auch.
„Mutter! Du … du … hör dir diese Lügen nicht an!“ Er stieß Lizzie fort.
„Es ist keine Lüge, sondern die Wahrheit“, sagte Lizzie. „Roselle ist eine Weatherly, so wie Sie selbst einer sind. Deshalb hat Massa Philip versprochen, dass er immer für mich und Roselle sorgen wird und dass wir hier immer ein Dach überm Kopf haben werden.“
Eugenia wollte nichts mehr hören. Langsam wandte sie sich um und entfernte sich wankend von der Tür, während der Raum sich um sie drehte. Sie hatte sich noch nicht einmal von dem Schock erholt, was Daniel und Josephine getan hatten, und jetzt das? Es konnte unmöglich wahr sein, denn das würde sie umbringen. Philip und Lizzie? Nein.
Mitten im Zimmer musste sie stehen bleiben, weil ihr schlecht wurde. Sie würde sich übergeben müssen. Das konnte nicht wahr sein! Nein! Der Schmerz in ihrer Brust, in ihrem Herzen, war schlimmer als je zuvor.
„Mutter! Warte, Mutter!“, hörte sie Daniel hinter sich rufen. Sie wankte weiter. Sie musste von ihm fort, musste ins Obergeschoss fliehen und Zuflucht in ihrem Zimmer suchen. Aber der Schwindel war zu stark, der Schmerz überwältigend.
Eugenia hatte Geschichten von weißen Herren gehört, die mit ihren Sklavinnen Kinder gezeugt hatten, aber doch nicht Philip. Ganz sicher nicht! Andererseits war Lizzie nichts als eine Feldarbeiterin gewesen, bis Philip sie ins Haupthaus geholt hatte. War das der Grund gewesen? Damit sie in seiner Nähe war?
„Mutter …“ Daniel holte sie ein und versuchte, ihren Arm zu nehmen. Eugenia schüttelte ihn ab.
„Lass mich in Ruhe!“
Ihre Welt lag in Trümmern. Alles, was sie jemals über ihren Mann geglaubt hatte, war eine Lüge gewesen. Philip hatte sie nicht geliebt – er konnte sie nicht geliebt haben, wenn er so etwas hatte tun können. Er hatte sie nur geheiratet, um gut dazustehen. Sie war nichts als ein Preis im Verkupplungsspiel der Gesellschaft gewesen. Eugenias Leben zerbrach wieder genauso wie während des Krieges, nur dass ihr diesmal gar nichts mehr blieb, nicht einmal die Erinnerung. Der Schmerz wuchs und schwoll an, als wollte ihr Herz zerspringen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, an wen sie sich wenden sollte. Sie wollte sterben.
Eugenia war beinahe an der Tür zum Salon angekommen, als ihre Beine taub wurden. Sie konnte sie nicht mehr fühlen, konnte nicht mehr gehen. Der Rand ihres Blickfelds wurde dunkler und schwand. Philip und Lizzie. Eugenia fühlte, wie sie sich drehte und fiel, als stürze sie in ein tiefes, dunkles Loch. Dann wurde alles um sie herum schwarz.
* * *
Als Eugenia aufwachte, lag sie auf einer Chaiselongue im Salon. Dr.
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