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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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wehtut.“ Josephine beachtete ihn gar nicht. Er würde aufstehen und sie selbst zuziehen müssen, wenn er die Gardinen geschlossen haben wollte.
    „Mr Chandler vom Amt für Freigelassene kommt heute wieder“, sagte sie. „Er hat sich bereit erklärt, sein Möglichstes zu tun, damit deine neuen Arbeiter sich gut einfinden.“
    „Was weiß ein Yankee schon darüber, wie man meine Plantage führen muss?“
    „Ich habe keine Ahnung. Möchtest du heute mit ihm sprechen? Du kannst ihn selbst fragen, wie viel er weiß.“
    „Ich will nichts mit ihm zu tun haben.“
    „Gut. Wie du willst.“ Sie sah zu, wie er mit einem Brötchen etwas Eigelb aufnahm und ein winziges Stück davon abbiss.
    „Ich kann nicht fassen, dass du von mir erwartest, einen Yankee auf meinem Grund und Boden zu dulden. Oder mich darüber zu freuen, dass Sklaven und Yankees meine Plantage übernehmen.“
    Sie zeigte auf die Krücken, die Dr. Hunter mitgebracht hatte und die an der Wand lehnten und Staub ansetzten. „Warum stehst du nicht auf und fängst an, die da zu benutzen? Wenn du willst, helfe ich dir. Dann könntest du rausgehen und selbst nach dem Rechten sehen.“ Er kniff wütend die Augen zusammen und nahm seine Tasse, als wollte er sie ihr an den Kopf werfen. „Ich werfe sie wieder zurück, Harrison.“
    „Verschwinde!“
    Sie schüttelte den Kopf und setzte sich in den üblichen Sessel, nur um ihn zu ärgern. „Ich bin keine Sklavin, die du herumkommandieren kannst. Und wenn du nicht die Kontrolle über dein Leben und dein Land übernimmst, dann muss es eben jemand anderes an deiner Stelle tun. Du kannst nicht erwarten, dass alle tatenlos zusehen, wie deine Mutter verhungert, nur weil du zu wütend und zu stolz bist, um selbst für sie zu sorgen.“
    „Du bist ein Dummkopf, weil du Mutter Hoffnungen machst. Wie soll sie denn all die Leute, die sie eingestellt hat, durchfüttern?“
    „Für den Anfang organisiert das Amt Lebensmittel. Und wie ich dir schon erklärt habe, bekommen die Arbeiter jeder ein Stück Land, das sie bewirtschaften, und eine Hütte, in der sie wohnen. Im Herbst geben sie dann einen Teil ihrer Ernte an dich ab.“
    „Und du bist ein noch größerer Dummkopf, wenn du glaubst, dass diese Sklaven ohne Aufseher auch nur einen Handschlag tun werden. Du wirst ja sehen, wie faul und nutzlos sie sind.“
    „Aber vielleicht bist du auch derjenige, der hinterher als Dummkopf dasteht, Harrison. Die Schwarzen wissen, dass sie jetzt für sich selbst arbeiten. Ich habe heute Morgen gesehen, wie ihre Kinder in die Schule gegangen sind, in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Und drei von ihren Frauen sind schon in der Küche und kochen für uns.“
    „Sag ihnen, sie sollen sich nicht in meinem Zimmer blicken lassen.“
    „Oh, glaub mir, das habe ich schon getan. Deine Mutter und ich sind sehr froh über ihre Hilfe, und das Letzte, was wir gebrauchen können, ist, dass du anfängst, ihnen etwas an den Kopf zu werfen, sodass sie wieder weglaufen.“
    Sie sah zu, wie er noch einen Fetzen von dem in Ei getränkten Brötchen abbiss, das er in seinen blassen, knochigen Fingern hielt. Die Unzufriedenheit klebte an ihm wie eine Uniform. „Du bringst mir besser mein Gewehr“, sagte er, ohne aufzublicken. „Ich muss dich und meine Mutter beschützen.“
    „Das sind deine ehemaligen Sklaven, Harrison. Sie sind nicht gefährlich. Du hast sie vor dem Krieg doch gut behandelt, oder? Sie hegen keinen Groll gegen dich.“
    „Bist du wirklich so naiv? Sie glauben, dass jetzt alles ihnen gehört. Ich will mein Gewehr.“
    Ihr ganzes Leben lang hatte Josephine getan, was immer die Männer in ihrem Leben von ihr verlangt hatten. Sie hatte die Regeln befolgt wie ein braves Mädchen, darunter auch Gottes Regeln. Aber sie war von allen, die Autorität über sie gehabt hatten, enttäuscht worden – vor allem von Gott – und sie war es leid, zu tun, was sie sagten. „Nein, Harrison. Wenn du dein Gewehr willst, musst du aufstehen und es dir selbst holen.“ Sie hatte noch nie so gesprochen. Aber wenn sie in den Monaten seit Kriegsende etwas gelernt hatte, dann dass sie eine Stimme und eine Meinung hatte und dass es ein gutes Gefühl war zu sagen und zu tun, was ihr passte.
    „Wo ist meine Mutter?“
    Jo zögerte, weil sie wusste, dass die Wahrheit ihn höchstwahrscheinlich aufregen würde. Aber er würde es früher oder später sowieso he-rausfinden und er war ohnehin immer aufgebracht. „Sie ist nach Richmond

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