Am Anfang eines neuen Tages
eigenen Händen gekocht hatte; Mahlzeiten, die nicht in einem formellen Esszimmer auf Porzellan und Silber und einer Damasttischdecke serviert werden mussten. Priscilla Blake war realistisch, was ihre Verluste und ihre Zukunft betraf. Und im Gegensatz zu Jos Mutter war sie bereit, sich die Hände schmutzig zu machen und die nötige Arbeit zu tun, um zu überleben.
Josephine drehte sich um, als der Klang von Stimmen die Stille des Morgens durchbrach. Die neuen Arbeiter kamen aus ihren Hütten, um mit ihrem Tagwerk zu beginnen. Eine Horde Kinder – Jo zählte neun von ihnen – machten sich mit Essensbeuteln auf den anderthalb Kilometer langen Weg nach Fairmont, um zur Schule zu gehen. Zwei der Männer gingen zu den Baumwollfeldern, und als sie Josephine sahen, blieben sie kurz stehen und nahmen aus Respekt ihre Hüte ab. Sie winkte und sah dann zu, wie sie sich bückten, um Erdklumpen aufzuheben und zwischen den Fingern zu zerbröseln. Was für ein Gefühl war es wohl für sie zu wissen, dass sie dieses Land zum ersten Mal für sich selbst bewirtschaften würden? Vielleicht empfanden sie die gleiche Befriedigung, die Jo empfunden hatte, als sie den ersten Löffel von der Suppe probiert hatte, die Mrs Blake und sie gekocht hatten. Jo mochte Mrs Blake und sie tat hier zum ersten Mal in ihrem Leben etwas Nützliches, anstatt all ihre Energie darauf zu richten, irgendeinen Verehrer auf sich aufmerksam zu machen oder darauf zu warten, dass ihre Eltern Entscheidungen für sie trafen. Ihr gefiel dieses neue, stärkere Ich.
„Oh, dein Saum ist ja ganz nass“, sagte Mrs Blake, als Josephine ihren Spaziergang beendet hatte und zum Haus zurückkehrte. Es war eine Feststellung und sonst nichts und sie hatte nichts mit der Kritik gemein, die Mutter hinzugefügt hätte.
„Ich weiß. Aber morgens ist es so schön draußen, dass ich einem Spaziergang einfach nicht widerstehen konnte, obwohl das Gras nass ist.“
Zusammen setzten sie sich hin, um ein einfaches Frühstück zu sich zu nehmen, das die Dienstboten zubereitet hatten. Sie staunten darüber, wie luftig Mables Brötchen waren, und lachten, als sie sie mit denen verglichen, die sie selbst zu backen versucht hatten. Jo sah, dass die Wangen der älteren Frau nicht mehr so blass waren, sondern Farbe bekommen hatten, und ein Hauch von Glück in ihren hellen, von Müdigkeit gezeichneten Augen lag. Als sie mit dem Essen fertig waren, richtete Mrs Blake ein Tablett für Harrison, aber kurz darauf kam sie damit zurück.
„Harrison schläft noch und ich wollte ihn nicht stören. Würde es dir etwas ausmachen, ihm sein Frühstück zu bringen, wenn er aufwacht, Jo?“
„Überhaupt nicht. Sie müssen früh los, damit Sie genug Zeit für die Fahrt nach Richmond und zurück haben.“
„Danke, meine Liebe. Ich lasse ihn nur ungern den ganzen Tag allein, aber ich weiß, dass du ihm ausgezeichnet Gesellschaft leisten wirst, während ich fort bin.“
„Ja, natürlich.“ In Wirklichkeit graute es Josephine davor, so viel Zeit mit Harrison zu verbringen. Wenn seine Mutter im Zimmer war, benahm er sich einigermaßen höflich und es machte Jo nichts aus, ihnen beiden etwas vorzulesen, während Mrs Blake stickte oder stopfte. Aber mit Harrison allein zu sein, war einfach zu deprimierend. Er wollte Josephines Gesellschaft überhaupt nicht und tat meistens so, als wäre er eingeschlafen, damit sie ging – was sie gerne tat. An diesem Morgen wartete sie so lange wie möglich, nachdem seine Mutter abgereist war, bevor sie allein Harrisons Zimmer betrat. Er lag auf dem Rücken, die Arme unter dem Kopf verschränkt, und starrte zur Zimmerdecke hinauf.
„Guten Morgen“, sagte Jo und versuchte, fröhlich zu klingen. „Ich bringe dir dein Frühstück. Unsere neue Köchin hat Brötchen gebacken und du wirst feststellen, dass sie deutlich besser sind als meine.“ Sie wartete, während er sich langsam aufsetzte, dann stellte sie das Tablett auf seinem Schoß ab. Sie würde bleiben und dafür sorgen müssen, dass er alles aufaß, weil sie den Verdacht hatte, dass er sich absichtlich zu Tode hungerte. Er war schon so dünn, dass sie die Konturen der Knochen unter seiner Haut sehen konnte. Genau genommen sah er in diesem dunklen, schattigen Raum so grau aus, dass sie zum Fenster eilte, um die Vorhänge aufzuziehen und die Sonne hereinzulassen.
„Lass die zu!“, sagte er. „Ich will nicht, dass sie aufgezogen werden. Ich habe dir schon mehrfach gesagt, dass mir das Licht in den Augen
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