Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin

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gehalten hatte. Und was noch schlimmer war, mein Glaube hatte Schiffbruch erlitten. Und so badete ich in Bitterkeit und dachte an alles, was ich verloren hatte, und verzweifelte, weil es nicht mehr da war.“
    Er hielt einen Moment inne und drehte das Taschentuch in seinen Händen. „Es ist schlimm genug, nach Hause zu kommen, wenn man zu den Siegern gehört. Ich kann die Verbitterung und Schande der Niederlage für die Konföderierten nur erahnen. Der Süden hat gut und tapfer gekämpft, das ist die Wahrheit. Männer wie Ihr Bruder und Mr Blake haben diesen Krieg nicht durch eigenes Verschulden verloren. Die Union hatte einfach mehr Waffen und Männer als sie. Und Sie müssen leiden, weil sie geschlagen wurden.“
    „Warum also sind Sie hier, Mr Chandler?“
    „In der Bibel steht, dass wir unsere Feinde lieben sollen, und um das zu tun, bin ich hierhergekommen.“
    „Wie nobel von Ihnen.“ Josephine hörte die Verachtung in ihrer Stimme.
    „Es tut mir leid, wenn es so klingt, aber es stimmt. Wo immer ich hinkam, sagte Gott mir dieselben Worte: ‚Liebe deine Feinde, liebe deine Feinde.‘ Zuerst wusste ich nicht, was das bedeutete. Ich wusste, dass Liebe in diesem Fall kein Gefühl sein konnte; es musste ein Verhalten sein. Ich hatte die Zerstörung hier im Süden gesehen. Ich war daran beteiligt gewesen. Ich hatte gesehen, wie die Schwarzen befreit wurden, aber nirgends hingehen konnten, und dass sie ihre Familien nicht ernähren konnten, also beschloss ich, der beste Weg, meine Feinde zu lieben, wäre, hierher zurückzukommen und zu helfen. Sie können mir glauben, dass ich es nicht wollte, aber ich fühlte mich verpflichtet. Und jetzt bin ich hier.“
    „Ich nehme an, Sie wissen, dass es eine Menge Yankees hier unten gibt, die nur versuchen, uns zu stehlen, was sie kriegen können, obwohl die meisten von uns nichts mehr haben.“
    „Sie können über meine Beweggründe denken, was Sie wollen, Miss Weatherly, aber ich will von Ihnen und Ihrer Familie und selbst von Harrison Blake nichts – außer Vergebung.“
    „Vergebung wofür?“
    „Dafür, dass ich zu der Armee gehört habe, die Ihre Väter und Brüder und Ehemänner getötet hat. Vergebung dafür, dass ich Ihr Land verwüstet und Ihnen Kummer und Not gebracht habe. Vergeben Sie mir, dass ich ein Gewehr in die Hand genommen und gegen Sie Krieg geführt habe. Und vergeben Sie mir, dass ich lebe, wo so viele andere gestorben sind.“
    Josephine konnte nicht antworten. Er verlangte Unmögliches von ihr. Weder sie noch irgendjemand anderes in ihrer Familie würde ihm jemals vergeben. War das vielleicht der Grund, warum ihr Bruder sich weigerte, mit Mr Chandler zu sprechen? Und warum Harrison lieber sterben wollte, als seine Hilfe anzunehmen?
    „Unsere Wut und Verbitterung werden nur dann jemals nachlassen, wenn wir einander vergeben“, sagte er, als könnte er ihre Gedanken lesen.
    „Ich bin nicht nur wütend auf Sie und andere Yankees wie Sie – ich bin auch wütend auf meinen Vater und meine Brüder, weil sie uns überhaupt in diesen dämlichen Krieg hineingezogen haben. Wozu war er denn gut? Wenn ich Ihnen vergeben würde, müsste ich den anderen auch vergeben. Und dazu bin ich nicht bereit.“
    Ihr Geständnis überraschte sie selbst. Sie hatte sich noch nie zuvor gestattet, solche Gedanken zu haben. Gerade als sie ihre Worte zurücknehmen und sagen wollte, sie habe sich falsch ausgedrückt, fragte er: „Was wünschen Sie sich für Ihr Leben, Ihre Zukunft, Miss Weatherly?“
    Bevor sie antworten konnte, hörte sie hinter sich Dr. Hunters Stimme. „Miss Weatherly?“
    Sie stand auf, bückte sich, um Mr Chandlers Jacke von der Treppe aufzuheben, und gab sie ihm. „Danke für Ihre Hilfe. Bitte entschuldigen Sie mich, Mr Chandler.“
    „Warten Sie. Bevor Sie gehen … können Sie mich bitte mit meinem Vornamen anreden und Alexander zu mir sagen? Und Sie heißen …?“
    „Josephine.“
    „Ja. Danke, Josephine.“
    Sie folgte dem Doktor ins Haus und in Harrisons Zimmer. Er war nicht mehr an die Bettpfosten gefesselt, sondern lag mit geschlossenen Augen da und sah mehr tot als lebendig aus. „Ich konnte seine Wunde nähen“, sagte Dr. Hunter. „Hoffen wir, dass sie gut heilt. Aber das größere Problem ist sein Gemüt, das heilen muss.“
    Josephines Magen verkrampfte sich, als sie Harrisons Handgelenk sah. Die Wunde war roh und rot, mit schwarzen Stichen wie Spinnenbeine, die beide Seiten der Haut zusammenhielten. Harrisons Mutter würde in