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Am Anfang eines neuen Tages

Am Anfang eines neuen Tages

Titel: Am Anfang eines neuen Tages Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Austin
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Krieges lernen, solche Verbände anzulegen. Leider war dies nicht das erste Mal, dass ich mein Wissen anwenden musste.“
    Unter dem Schuh des Arztes knirschte etwas – Josephines Spiegel, der auf dem Boden lag. Er bückte sich, um ihn aufzuheben, und reichte ihn ihr. Das Glas ähnelte einem Spinnennetz und produzierte Dutzende Spiegelbilder anstatt einem. In jeder Spiegelung sah Josephine sich selbst mit Blut verschmiert und bei dem Anblick wurde ihr schwindelig. Sie schloss die Augen, damit der Raum aufhörte, sich zu drehen, und tastete nach etwas, woran sie sich festhalten konnte.
    „Mr Chandler, bringen Sie Josephine bitte nach draußen an die frische Luft“, hörte sie den Doktor sagen. Sie nahm kaum wahr, wie Mr Chandler den Arm um ihre Taille legte und ihr aus dem Zimmer half, um sie nach draußen zu geleiten.
    „Geht es Ihnen gut?“, fragte er, nachdem sie sich auf die Treppe gesetzt hatte. „Nein, natürlich nicht. Sie zittern ja!“ Er zog seine Jacke aus, die jetzt von dem getrockneten Blut ganz steif war, und legte sie um Jos Schultern. Dann setzte er sich neben sie. Sie legte den Spiegel auf ihren Schoß und wickelte ihren pulsierenden Finger aus, um sich die Schnittwunde anzusehen. „Sie sind verletzt. Wie ist das passiert?“
    Josephine zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Bei dem Gerangel, vermute ich.“ Er zog sein Taschentuch heraus und wickelte es fest um ihren Finger. Dann drückte er kurz ihre Hand, bevor er sie losließ. Warum war er so nett? „Es tut mir leid, wie Mr Blake sich verhalten hat“, sagte sie zu ihm, „und wie er Sie beleidigt hat.“
    „Das bin ich gewohnt. Sie, Mrs Blake und Dr. Hunter sind so ziemlich die einzigen Menschen in Fairmont, die mich anständig behandeln. Ich verüble es den ehemaligen Sklaven nicht, dass sie einem Weißen nicht trauen, und versuche herauszufinden, wie ich ihr Vertrauen gewinnen kann. Ich glaube, die neue Schule überzeugt sie allmählich. Aber manchmal habe ich Zweifel, ob ich Männer wie Mr Blake jemals dazu bringen werde, dass sie mir trauen.“
    „Er hasst jeden, auch mich. Selbst seiner eigenen Mutter gegenüber legt er nur ein Minimum an Höflichkeit an den Tag.“ Sie nahm den zerbrochenen Spiegel von ihrem Schoß und betrachtete ihr vielfältiges Spiegelbild. Mr Chandler nahm ihr den Spiegel sanft aus der Hand und legte ihn auf die Treppe.
    „Ich möchte nicht, dass Sie sich schneiden“, sagte er.
    „Dieser Spiegel war ein Geschenk von meinem Vater … und jetzt ist er zerbrochen.“ Sie befürchtete, in Tränen auszubrechen. Würde sie nach allem anderen, was sie ausgehalten hatte, wegen eines dummen Spiegels anfangen zu weinen?
    „Es tut mir leid“, sagte Mr Chandler.
    „Warum? Es ist doch nicht Ihre Schuld.“
    Sie hörte, wie er tief Luft holte und langsam wieder ausatmete. „Wie stehen Sie eigentlich zu Mr Blake … wenn ich fragen darf?“
    „Unsere Familien kennen sich seit ewigen Zeiten. Harrison war der beste Freund meines Bruders. Sie waren zusammen, als Harrison verwundet und Samuel getötet wurde. Mrs Blake war hier ganz allein mit ihm, also habe ich eingewilligt zu bleiben und ihr Gesellschaft zu leisten – nun ja, eigentlich war es die Idee meiner Mutter. Harrison ist beileibe für niemanden ein guter Gesellschafter.“
    „Ich dachte, dass Sie vielleicht mit ihm verlobt sind.“
    „Niemals! Wie kommen Sie darauf?“
    „Sie scheinen sich um ihn zu sorgen. Und Sie kannten ihn gut genug, um zu erkennen, was er vorhatte, und er war Ihnen so wichtig, dass Sie ihn aufhalten wollten.“
    „Ich konnte doch nicht tatenlos zusehen und ihn sterben lassen. Seine Mutter würde das nie verwinden. Sie hat schon so beinahe jede Hoffnung verloren. Jetzt, wo sie wieder Dienstboten hat und ich ihr Gesellschaft leiste, lebt sie langsam wieder auf, aber sein Selbstmord würde sie umbringen.“
    „Was ist mit Ihrer eigenen Familie? Geht es ihnen gut? Ihre Mutter war nicht bei mir im Büro, um sich Hilfe zu holen. Ich war mir sicher, dass sie kommen würde, nachdem sie Mrs Blake den Rat gab, mit mir zusammenzuarbeiten.“
    „Mein Bruder Daniel ist jetzt zu Hause. Er ist es, der für die Plantage verantwortlich ist. Aber auch wenn er den Krieg überlebt hat, hat er sich genauso wenig davon erholt wie Harrison, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
    „Ich bin mir nicht sicher, ob wir alle uns jemals davon erholen werden.“
    „Meine Familie ist ein wenig besser dran als die Blakes, weil zwei unserer Bediensteten bei

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