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Am Anfang war das Chaos

Am Anfang war das Chaos

Titel: Am Anfang war das Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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bringen dich um, wie Caronj.«
    Sgnore schrie, schwang sich hin und her und versuchte, aus der Umschlingung einer zweiten, langen Ranke zu entkommen, die sich wie eine straff gedrehte Fessel um ihren linken Fuß schlang. Dornen bohrten sich in die dünne Haut über den Knochen und den harten Muskeln. Die nächste Ranke warf sich ihr entgegen und packte die andere Schwinge.
    Die Vogelfrau schüttelte sich, riß an den Fesseln und wurde binnen weniger Herzschläge aus der Luft nach unten gezerrt. Schwer sackte sie mitten in die peitschenden und gierig zupackenden Zweige der übernächsten Barriere aus Pflanzen.
    Es war, als würden sämtliche Äste, Ästchen, Ranken und Blätter in diesem Gelaß gleichzeitig von einer rasenden Bewegung der Gier erfaßt. Sie zitterten, schüttelten sich und begruben den Körper Sgnores unter sich.
    Ein grauenhaftes Ächzen kam dorther, wo Sgnore starb.
    Die Ranken hielten sie, und das Gift in den Dornen tötete sie binnen einiger Dutzend Schläge ihres Vogelherzens. Helmond und Golar blieben erstarrt stehen und wußten, daß sich die Katakomben abermals ein Opfer geholt hatten.
    Auch die Haryie, die Abenteurerin, die tapfere Gefährtin vieler Überfälle, war getötet worden.
    Helmond fragte knapp:
    »Wer ist der nächste?«
    »Das wird sich herausstellen«, antwortete Golar und blieb so weit von den Pflanzen entfernt stehen, wie es möglich war, ohne in den Bereich der nächsten Hecke zu kommen. Helmond knurrte:
    »Eines ist sicher. Ich bin es nicht. Jetzt weiß ich, warum du nicht zurück wolltest.«
    Der Krieger machte eine Bewegung, die erkennen ließ, daß ihm alles vollkommen gleichgültig war.
    »Gehen wir. Das Mausoleum ist nicht mehr weit. Und die Zeit verliert hier, wie vieles andere, ihre gültigen Regeln.«
    Sie nickten einander zu. Helmond, der niemandem traute, mußte Golar glauben und vertrauen. In diesen Augenblicken fiel es ihm leichter. Er folgte dem Krieger, der sich langsamen Schrittes entfernte. Er achtete wie Helmond genau darauf, daß er den lebenswichtigen Abstand zu beiden Reihen der tödlichen Gewächse nicht unterschritt.
    Die lebenden Hecken lebten wirklich.
    Die Blüten richteten sich wie die Augen lebendiger Wesen auf die Eindringenden. Fast unhörbar raschelten die Blätter, als sich die Blüten bewegten. Dort, wo die verdammten Pflanzen die Haryie getötet hatten, raschelten die Äste, als ob sie den Körper fressen würden. Jeder neue Schritt war für Helmond eine Überwindung. Eine innere Stimme aber sagte ihm, daß er im Mittelpunkt der Katakomben Ilfa sehen würde – dort wartete er auf ihn, und sicherlich war sie in Not.
    Golar drehte sich zu ihm herum.
    »Wir gehen auf die Krieger der Dunkelheere zu.«
    »Das sagt mir nichts.«
    Sie benutzten einen weiten Schlupfweg durch die grüne Mauer. Das Eindringen ging schneller, als Helmond gedacht hatte. Aber sie brauchten nur den Spuren der Fremden zu folgen und mußten den Weg nicht mühsam suchen. In Helmonds Hand zitterte das Schwert. Der Mann war aufgeregt und halb erschöpft, aber er stieß den Krieger weiter.
    »Es sind blinde Krieger.«
    »Aber sie leben und fechten?«
    »Ja. Indessen geschieht das auf merkwürdige Weise. Schaffst du es noch?«
    Helmond stieß ein häßliches Lachen aus und erwiderte:
    »Noch lange, Fremder.«
    Staub knirschte unter den Sohlen, die dürren Blätter vergangener Jahre raschelten bei jedem Schritt. Langsam drangen die Männer vor, immer tiefer und stets im Zickzack durch die Gänge aus Stein. Sie wunderten sich keinen Moment lang darüber, daß in den vergangenen Monden und Jahren dieses unterirdische Gebäude hätte längst völlig zugewachsen sein müssen. Auch würden in einer normalen Welt die Pflanzen absterben, hier, unter den Mauern und zwischen dem Gestein der dicken Decken. Sie befanden sich an einer Stelle, wo Zauberei und Magie galten und deren eigenartige Gesetze, die niemand verstand.
    »Gibt es einen Herrn über all dieses geheimnisvolle Treiben?« fragte der Rottenführer, als sie vor sich die obersten Stufen eines überaus breiten Treppenabgangs erkannten.
    »Ich weiß nur, daß Yorne, die Hexe, hier lebt. Ob sie selbst Gefangene der Hecken und Dunkelkrieger ist, vermag ich nicht zu sagen.«
    Golars Ruhe schien unerschütterlich zu sein. Aber ganz richtig sagte sich Helmond, daß es die Ruhe eines Todgeweihten war.
    Sie stiegen einige Stufen hinunter und drehten sich um. Die Pflanzen starrten sie mit Blütenaugen an. Rechts, neben einem Säulenstumpf,

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