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Am Anfang war das Chaos

Am Anfang war das Chaos

Titel: Am Anfang war das Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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lag ein menschliches Skelett, das noch einen zerbeulten Helm trug. Jeder einzelne Knochen war mehrmals gebrochen. Auch das Skelett war uralt.
    »Hätte ich es doch gelassen!« stöhnte Helmond und wußte, daß seine einzige Sicherheit sein Schwertarm mit der Waffe war. Mehr gab es nicht.
    »Zu spät.«
    Nebeneinander wagten sie sich Stufe um Stufe abwärts. War die Riesenhalle hinter ihnen von einer leichten Helligkeit aus den leuchtenden Blüten erfüllt gewesen, so kamen sie jetzt in den Bereich eines Nebels. Er wogte nicht hin und her, sondern stand unbeweglich in einem Raum, der sicherlich nicht kleiner war als der, den sie eben verließen. Auch dieser Dunst leuchtete aus sich heraus, nicht sehr hell, aber so viel, daß sie sich darin deutlich sehen konnten, selbst wenn sie zehn Schritte voneinander entfernt waren.
    Sie sahen schon den Boden der Halle, als Golar seinen Nachbarn anhielt und sagte:
    »Du mußt deinen Mantel opfern. Schneide ihn in breite Streifen.«
    »Wie?«
    »Frage nicht lange. Wir müssen die Stiefel umwickeln. Man darf nicht einmal unsere Atemzüge hören.«
    »Wenn es sein muß…«
    Helmond setzte sich auf die Stufen. Seine Knie zitterten, als er den dicken Stoff mit dem Dolch in breite Streifen schnitt und riß. Golar fing an, die Sohlen und die Knöchel mit dem Stoff zu umwickeln und mit zahlreichen Knoten zu befestigen. Einen Streifen band er um den Hals und schnitt den Rest des Tuches ab.
    »Mache es ebenso.«
    Kurze Zeit später boten sie nicht nur einen abgerissenen und schmutzigen, sondern auch bizarren Anblick. Es war gleichgültig; es gab niemanden, der über die Eindringlinge lachen würde. Nun gingen sie auch die letzten Stufen hinunter und drangen in den dünn leuchtenden Nebel ein.
    »Und jetzt«, erklärte der Krieger mit warnender Stimme, »merke dir eines, Helmond: Der geringste Laut verrät uns. Selbst ein Atemzug ist schon zu laut. Du wirst mich verstehen, wenn du die Krieger zu sehen bekommt.
    Ich sage es noch einmal: Schweigen! Lautlosigkeit. Schnelligkeit. Nur sie retten unser Leben.«
    »Ich habe verstanden«, erwiderte Helmond dumpf, schob das Schwert in die Scheide zurück und zog das Tuch vor Mund und Nase, das er um den Hals geschlungen hatte. Mit lautlosen Schritten glitten sie auf dem Steinboden weiter, geradeaus in den leuchtenden Dunst hinein.
    Hier wachten die untoten Krieger der Dunkelheere.
    Nach einem flüchtigen Versuch gab es Helmond auf, sie zu zählen. Sie standen in Gruppen beieinander. Jede Gruppe umfaßte mindestens zwei Dutzend Männer, mehr als einen Kopf größer als Helmond, voll bewaffnet und unsagbar fremd. Der Nebel verhinderte, daß sie gleichzeitig mehr als vier Gruppen dieser Kämpfer sahen. Immerhin gelang es ihnen ohne Zwischenfall, die beiden ersten Gruppen hinter sich zu lassen.
    Helmond sagte sich, daß sein Leben und das Ilfas von dem Wissen über die wahre Natur der Katakomben abhingen.
    Aus diesem Grund beobachtete er die Gestalten besonders genau.
    Sie waren unbeweglich wie steinerne Statuen. Sie trugen Rüstungen und Waffen, deren Zweck er erriet, aber er hatte niemals, auch nicht in der Schattenzone, jemals solche Panzer und Schwerter zu Gesicht bekommen. Die Gesichter unter den Helmen waren fahl, bleich und blutleer. Viele Arme und Beine waren von furchtbaren Wunden bedeckt, aus denen kein Blut floß. Die Schnitte sahen seltsam grau aus, das Fleisch wirkte, als sei es ein völlig fremdes Material. Schartige Schwerter, zerbeulte Schilde mit seltsamen Zeichen darauf – Helmond erinnerte sich, solche Zeichen in den Tagträumen vor dem Portal mehrfach gesehen zu haben –, riesige Lanzen, deren flammenförmige Spitzen im Nebel verschwanden.
    Die Augen waren tatsächlich blind.
    Sie waren wie weiße, polierte Steine. Blicklos richteten sich die Angesichte der Untoten hierhin und dorthin. Noch hatten die Eindringlinge kein Geräusch verursacht, und keiner der Untoten hatte sich bewegt. Golar winkte, und Helmond folgte. In Schlangenlinien umrundeten sie die einzelnen Zusammenballungen von Kraft und Entschlossenheit. Jeder Krieger, der mit seinen blutbedeckten Stiefeln, den riesigen Sporen und den Beinschienen hier stand, strahlte Tod und Verderben aus, und ein einzelner Schwertkämpfer würde beim ersten Angriff in Stücke gehauen werden.
    Die Farben der Kampfkleidung waren verblaßt. Schmutz und Blutspuren bedeckten Rüstungen und Schilde. Die Waffen sahen so aus, wie sie nach einem erbitterten Kampf auszusehen hatten: blutig und

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