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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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Menschen, die ein anderes, besseres Leben wollten. Die an das Wohl aller Menschen denken wollten, nicht nur an ihr eigenes.«
    »Einen geheimen Club«, sagt Hänfling, »so was könnten wir doch hier auch haben.«
    »Aber mit was für einem Symbol?«, fragt Dinah. »Mit einer Blume?«
    Ich überlege kurz. Dann schüttle ich den Kopf.
    »Was nicht so Konkretes wäre besser«, sage ich.

Die Ratten
    Am nächsten Tag weht eine große weiße Fahne auf dem Haus. Mitten in das Weiß hat Dinah einen leuchtend grünen Kreis gemalt. Ich finde es sehr schön. Das sieht würdig und bedeutend aus. Hier gibt es etwas, das wichtig ist, sagt die Fahne. Die hier wohnen, haben eine Idee.
    Vorher haben wir einen Vorschlag nach dem anderen diskutiert, bis mir plötzlich diese Haushaltsrolle einfiel, die bei unserer Ankunft auf der Spüle stand und wie eine Fahne flatterte. Ja, dachte ich, eine weiße Fahne mit unserem grünen Kreis darauf. Grün, das entspricht uns! Das hielten alle für eine gute Idee, und wenn ich die Fahne jetzt sehe, fühle ich, dass sie genau richtig ist. Weiß ist die Farbe der Versöhnung, des Friedens und der Unschuld. Nichts könnte besser für den Grünen Kreis passen.
    Die Fahne am Haus macht auch deutlich, dass hier tatsächlich Menschen wohnen. Wir haben darüber gesprochen, welche Risiken das mit sich bringt, sind aber zu dem Schluss gekommen, dass das nicht mehr wichtig ist. Ich selbst denke, inzwischen herrscht hier sowieso das Gesetz des Dschungels. Ich kann nur hoffen, dass man beim Anblick unserer Fahne
Respekt
empfindet.
    Diddi und Devil gehen gerade in den Garten. Sie bleiben beim Beet stehen. Diddi ist genauso oft dort wie ich.
    »Ich will zusehen, wenn die Pflanzen ihre Früchte kriegen«, erklärt sie mit großem Ernst.
    »Das dauert lange, da wirst du Geduld brauchen«, sage ich.
    Die meisten Pflanzen sind noch am Leben. Wir gießen sie nur mit dem Wasser aus dem unterirdischen Bach. Ein paar sind trotzdem gestorben, einfach so, sind plötzlich eingeschrumpft. Ich habe sie gleich entfernt und hoffe, sie hatten keine ansteckende Krankheit.
    Benjamin will, dass ich ihn und David auf die Jagd begleite. Er zeigt mir seinen Bogen. Ich befühle die Sehne, sie gibt einen hohen Ton von sich, als ich sie loslasse.
    »Hast du gehört!«, sagt er. »Die ist stahlhart!«
    Sie haben einen ganzen Abend an den Sehnen herumexperimentiert und schließlich lange Streifen von elektrischen Kabeln abgeschnitten und mit dünnen Lederstriemen verflochten, die sie aus einer alten Jacke herausgetrennt hatten.
    »Was wollt ihr denn jagen?«, frage ich. »Weiße Vögel?«
    Benjamin schüttelt den Kopf. »Nicht mal die besten Bogen schießen so hoch«, sagt er. »Wir wollen Ratten suchen.«
    Ich nicke. »Ja, wo die wohl stecken …«
    »Wahrscheinlich halten sich die wenigen, die noch geblieben sind, im Freien auf, und hausen tagsüber unter der Erde. Heute Nacht versuchen wir, sie aufzustöbern.«
    Als Benjamin das sagt, merke ich, dass er schwitzt, obwohl er nur still dasitzt und mit mir redet.
    »Wie geht’s dir eigentlich?«, frage ich und lege ihm die Hand auf die Stirn. »Du bist ja ganz heiß.«
    »Ich komm schon klar«, erwidert er.
    •
    Als wir in dieser Nacht auf die Jagd gehen, fühle ich mich gleich besser. Es ist, als täte die Dunkelheit mir gut, als könnte man alles besser ertragen, wenn man es nicht sehen muss. Die Kühle macht das Atmen leichter, die Luft fühlt sich weniger aggressiv an. Als ich den Boden unter meinen nackten Füßen spüre, denke ich, seltsam, dass nirgends Gras wächst, wenn meine Pflanzen doch sprießen und gedeihen. Gibt es keine natürlichen Samenkörner mehr im Boden? Sind alle weggeschwemmt worden? Oder von der Sonne versengt?
    Heute Abend hat Diddi wieder zwei tote Pflanzen aus dem Beet gebracht. Sie trug sie auf dem Arm, als wären sie lebendige Geschöpfe, und war den Tränen nahe, als sie sie mir überreichte. Ich befürchte, dass alle das gleiche Schicksal ereilen wird. Über uns ruht eine sterile Hand. Aber zu Diddi sagte ich: »So ist das eben, wenn man gärtnert. Es sind ja noch viele übrig.«
    Benjamin ist stehen geblieben und hebt den Arm. David und ich verharren regungslos hinter ihm. Ich sehe, wie Benjamins Hand aus dem Stoffbeutel, der ihm über die Schulter hängt, einen Pfeil zieht. Dann legt er den Pfeil an die Sehne und spannt den Bogen.
    Lange halte ich die Luft an, aber nichts passiert. Schließlich senkt Benjamin den Bogen und nickt mit dem Kopf in die

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