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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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plötzlich ein Gedanke kommt.
    »Wo ist Tüchtig?«, flüstere ich.

XXIV
    Die anderen sehen mich fragend an. Natürlich, es ist ja mein Schwein. Aber es ist noch nie vorgekommen, dass er mich allein gelassen hat.
    »Er muss die Ratten bemerkt haben, bevor ich aufgewacht bin«, flüstere ich.
    »Und dann hat er Angst gekriegt und versucht, sich irgendwo zu verstecken«, flüstert Dinah.
    »Vielleicht haben sie ihn schon aufgefressen«, vermutet David.
    Ich schüttle den Kopf. »Wir hätten es gehört, wenn sie ihn angegriffen hätten. Hast du vergessen, was für ein Geschrei er gemacht hat, als wir ihn in der Fallgrube gefangen haben?«
    »Bestimmt ist er irgendwo in der Nähe«, flüstert Gabriel. »Er scheint sich hier ja auszukennen.«
    Wir sitzen schweigend da. Nach einer Weile schläft Dinah ein. Ihr Kopf ruht auf meinem Schoß. Ich selbst bin auch immer wieder am Einnicken, aber kurz davor zuckt mein Körper jedes Mal zusammen. Die Erinnerung an die Ratte an meiner Hand und die zahllosen Tiere hier im Stall genügt, um mich wach zu halten. Dann merke ich, dass David und Gabriel auch eingeschlafen sind. Draußen wird es allmählich hell, ein schmutzig graues Tageslicht sickert in den Stall. Der Regen trommelt unverändert heftig weiter. Als mehrere Stunden vergangen sein müssen, stelle ich fest, dass die Ratten verstummt sind. Vorsichtig schleiche ich an die Tür der Box und schaue hinaus. Der Stall ist leer. Sie müssen auf den Heuboden verschwunden sein. Vermutlich haben sie eigene Gänge, die überallhin führen.
    »Tüchtig!«, rufe ich leise. »Komm her, mein Schweinchen! Die bösen Ratten sind jetzt weg.«
    Aber kein fröhliches Grunzen antwortet mir. Aha, denke ich. Und was jetzt? Mein Magen antwortet mit einem dumpfen Knurren.
    Na klar. Essen! Das hatte ich fast vergessen. Wir sind wohl so ausgehungert, dass die Hungergefühle irgendwie abgestumpft sind. Mein ganzes Ich läuft auf Sparflamme und handelt in einer Art Zeitlupentempo. Wir müssen uns dringend zusammenreißen.
    »Wach auf!«, sage ich und ziehe David unsanft am Arm.
    »Um was geht’s?«, murmelt er.
    »Essen«, sage ich. »Wir müssen schleunigst für irgendwas Essbares sorgen, sonst gehen wir unter.«
    •
    Die anderen werfen mir irritierte Blicke zu.
    »Merkt ihr denn nicht, wie schwerfällig wir geworden sind?«, sage ich. »Ich krieg meine Gedanken kaum noch auf die Reihe. Es ist, als würden die Worte im Kopf erlöschen, bevor ich sie überhaupt registriert habe.«
    Dinah nickt zustimmend. »Ich hab das Gefühl, als wäre ich immer bloß noch halb wach«, sagt sie.
    »Aber was sollen wir machen? Es gibt ja nirgends was Essbares«, seufzt Gabriel.
    »Wir schlachten das Schwein«, sagt David. »Das ist unsere einzige Chance.«
    »Tüchtig ist verschwunden, das kannst du also vergessen«, sage ich.
    »Die Ratten auf dem Heuboden?«, schlägt Dinah vor. »Mit den Spaten, wie wir’s vorgehabt haben?«
    »Das klappt garantiert nicht«, sagt David. »Wenn wir sie verletzen, werden sie nur aggressiv. Vergiss nicht, dass es viele Tausend sind.«
    Plötzlich fällt mir das Gesicht am Fenster wieder ein. Das Gesicht, das, wie ich glaube, das eines Kindes war.
    »Ich finde, wir machen noch einen Versuch im Wohnhaus«, sage ich. »Irgendwas
muss
es dort geben. Und dann müssen wir diese Fässer rausstellen. Wer weiß, wann es das nächste Mal regnet.«
    Niemand sagt etwas.
    »Ich kann allein gehen.«
    Die anderen sagen immer noch nichts.
    »Okay?«
    Als niemand antwortet, zucke ich die Schultern und gehe.
    •
    Aber als ich die Stalltür aufschiebe und die Sturzfluten draußen sehe, zögere ich doch. Mein Kopf protestiert, und mein Körper wehrt sich. Ich muss mich zwingen hinauszutreten und drücke dann schnell die Tür hinter mir zu. Der Regen trifft schmerzhaft auf mein Gesicht. Es ist, als peitschten tausend Stricke auf mich ein, und bevor ich diesen Gedanken zu Ende gedacht habe, bin ich total durchnässt. Ich sehe nichts, beiße aber die Zähne zusammen und renne mit dem Kopf voraus mitten in das Regenmeer hinein.
    Bereits nach ein paar Schritten bereue ich es. Als ich den Kopf drehe, sehe ich den Stall nicht mehr. Vielleicht schaffe ich es nicht einmal, den Hühnerstall zu finden, aber die Wut über die Gleichgültigkeit der anderen spornt mich an. Mit gesenktem Kopf renne ich in die Richtung, in der er liegen muss. Der Regen peitscht mir den Atem aus dem Leib. Ich schlucke Wasser und merke, dass es einen eigenartig öligen Geschmack hat.

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