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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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gewöhnlicher Albtraum, aber ein ungewöhnlich langer. Aber das stimmt nicht.«
    »Und wieso nicht?«, fragt David.
    Da strecke ich die Hand aus und kneife ihn fest in den Arm.
    »Au! Scheiße nochmal!«, schreit er und sprüht Suppe über die Veranda.
    »Kapierst du’s jetzt?«, sage ich. »Das hier träumen wir nicht.«
    Er nickt.
    »Es ist viel seltsamer als ein Traum.«
    »Zuerst hab ich gedacht, es ist das Klima«, sagt Dinah. »Dass das irgendwie endgültig umgekippt ist.«
    Ich nicke. »Ich weiß«, sage ich. »Aber da muss irgendwas anderes passiert sein. Das ganze Dasein ist auseinandergebrochen, anders kann ich mein Gefühl nicht beschreiben.«
    »Und was machen wir jetzt?«, fragt Gabriel und wischt sich mit der Hand den Mund ab.
    Ich zucke die Schultern. »Ich glaube, es kann noch schlimmer werden«, sage ich.
    •
    »Wenn ich nur wüsste, was eigentlich passiert ist«, sagt Dinah.
    »Genau das sollten wir zu verstehen versuchen«, sage ich. »Es hat damit angefangen, dass es geregnet hat, oder?«
    »Daran kann ich mich überhaupt nicht erinnern«, sagt Gabriel.
    Ich überlege kurz. Dann fällt mir endlich etwas Neues ein.
    »Aber du hast es gefilmt, Gabriel!«, rufe ich aus. »Es muss ein Video geben, auf dem es zu sehen ist!«
    »Hab ich das?«, fragt Gabriel.
    »Na klar.«
    »Ja, jetzt erinnere ich mich«, sagt Dinah. »Wir haben auf dem Holzdeck gesessen, unter dieser Überdachung, es hat geschüttet wie aus Kübeln, und du hast es mit der neuen Kamera gefilmt, Gabriel!«
    »Genauso war es«, sage ich. »Und dann sind Bäume und Autos angeschwommen gekommen, und plötzlich ist das ganze Deck aus der Wand gerissen worden.«
    »Ist das wahr?«, sagt David.
    Dinah nickt. »Aber danach weiß ich nichts mehr«, sagt sie.
    »Ich glaube, wir waren lange auf dem Deck unterwegs«, sage ich.
    »Und dann sind wir an diesem Ufer hängen geblieben, daran kann ich mich erinnern«, sagt Dinah.
    »Ja«, sagt David. »Das weiß ich auch noch.«
    »Die Frage ist nur, wo wir eigentlich sind«, sage ich.
    »Genau«, sagt Gabriel. »Und warum alles hier so komisch ist.«
    »Ich glaube, das hat damit zu tun, dass irgendwo ein Loch entstanden ist«, fahre ich fort.
    »Sag das noch mal, bitte!«, sagt Gabriel.
    »Ein Loch, aus dem die Zeit hinausrinnt.« In meinem Kopf dreht sich alles, und mir wird allmählich übel, aber ich reiße mich zusammen. »Ich will versuchen, es zu erklären«, sage ich. »Das Dasein auf der Erde wird ja durch die Zeit aufgespannt. Wenn es keine Zeit gäbe, gäbe es auch keine Abstände. Dann würde alles gleichzeitig und an derselben Stelle passieren. Aber weil wir die Zeit haben, dauert es eine gewisse Zeit, sich zum Beispiel von Paris nach London zu bewegen. Und jetzt ist irgendetwas undicht geworden. Die Zeit fließt hinaus, und das Dasein gerät irgendwie durcheinander. Es wird zusammengedrückt. Montag und Dienstag finden gewissermaßen gleichzeitig statt. Versteht ihr?«
    Die anderen starren mich an und schütteln die Köpfe.
    »Ich kapier’s auch nicht«, sage ich. »Aber wenn man sich vor einen Spiegel stellt, landet man stattdessen mitten im Spiegel. Man ist sein eigenes Spiegelbild, versteht ihr?«
    Sie schütteln im Takt die Köpfe.
    »Ich weiß«, sage ich. »Das ist unbegreiflich. Aber ich glaube, genau das könnte passiert sein.«
    Wir sitzen schweigend auf der Veranda und blicken über die trostlose Landschaft. Sumpfige Seen breiten sich auf den Feldern aus.
    »Wenn es regnet, fällt demnach nicht nur ein einzelner Regenschauer, sondern sämtliche Schauer fallen auf einmal?«, bemerkt Gabriel plötzlich.
    Ich überlege kurz.
    »Genau!«, sage ich dann. »Alle Regenschauer, die es innerhalb eines gewissen Zeitraums gibt.«
    •
    Aber es regnet nicht mehr. Das schmierige Zeug in den Bäumen ist erstarrt und klebt wie alter Kaugummi an den Ästen. Das Morgenlicht, das bisher immer nur grau war, hat eine neue rötlich graue Nuance angenommen, die ich bisher noch nicht gesehen habe. An das Grau und die braunen Dämmerungen habe ich mich gewöhnt, aber diesen roten Schimmer erkenne ich nicht wieder, und das macht mich nervös.
    »Vielleicht ist es nur die Sonne, die allmählich durch die Regenwolken dringt«, meint Dinah.
    Inzwischen haben wir das Video in der Kamera angeschaut und uns selbst auf dem Holzdeck vor der Schule gesehen. Die letzten Bilder aus unserer Zeit! Der Film hinterlässt tiefe Wunden in uns und weckt eine neue Art von Unruhe.
    Wir holen die Spaten aus dem Stall. Von

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