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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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schrumpfen immer schneller. Vor hundert Jahren war es fast unvorstellbar, in 80  Tagen um die Welt zu reisen. Jetzt braucht man mit dem Flugzeug höchstens zwei, drei Tage dafür.«
    »Ich weiß«, sage ich.
    »Wenn es die Zeit ist, die das Dasein auf der Erde aufspannt, wie du behauptest, wie lässt sich dann erklären, dass die Abstände immer kürzer werden?«
    »Erst mal glaube ich, dass die kürzeren Abstände die Ursache für die undichte Stelle sein könnten«, sage ich.
    »Tatsächlich?«
    Ich nicke. »Besser gesagt, die Beschleunigung, die das Dasein so stark komprimiert. Vor hundert Jahren gingen die meisten Leute zu Fuß, wenn sie irgendwohin wollten.«
    »Und?«
    »Ich glaube, wir müssen versuchen, durch die verschiedenen Zeitschichten zu gelangen«, sage ich.
    »Zeitschichten?«
    Ich nicke.
    »Das klingt ziemlich kompliziert.«
    »In Entenhausen hat man das schon längst geschafft.«
    Er sieht mich erstaunt an. »In Entenhausen?«
    Ich nicke und werfe ihm einen geheimnisvollen Blick zu. »Daniel Düsentrieb«, flüstere ich.
    Er mustert mich weiterhin verblüfft und schweigt erst mal. Vermutlich muss er über das Gesagte nachdenken und damit fertig werden, dass er nicht selbst dahintergekommen ist.
    »Aber was hat Entenhausen mit der Sache zu tun?«, fragt er schließlich.
    »Die hatten dort genau das gleiche Problem«, erkläre ich. »Aber Daniel Düsentrieb hat es gelöst.«
    Da steht er auf, schüttelt den Kopf und geht.
    •
    In dieser Nacht wecke ich Dinah.
    »Ich glaube, allmählich begreife ich es«, sage ich.
    »Was denn?« Dinah zieht die Decke an sich.
    »Vielleicht sind es nur die Gedanken.«
    »Die Gedanken?« Dinah setzt sich im Bett auf und sieht mich verschlafen an.
    Ich nicke eifrig. »Unsere eigenen Gedanken«, sage ich. »Vielleicht laufen die irgendwie falsch und sind durcheinandergeraten. Das hier ist womöglich nur etwas, das wir denken, und wenn wir mit diesen Gedanken aufhören, verschwindet es.«
    »Was denn?«
    »Alles«, sage ich und breite die Arme aus.
    Dinah reibt sich die Augen, sitzt dann lange da und starrt ins Leere.
    »Und wir?«, fragt sie schließlich.
    »Wir auch«, sage ich. »Wir haben uns irgendwie verirrt. Aber ich glaube, das kann alles wieder gelöscht werden.«
    •
    Als wir an diesem Tag in der Küche Muschelsuppe essen, nimmt Gabriel plötzlich die Kamera und richtet sie auf den Tisch.
    4. SZENE. INNENRAUM. KÜCHE. TAGESLICHT.
    DINAH , JUDIT , DAVID , ( GABRIEL ), DIE TOTE FAMILIE .
     
    David tritt vor und setzt sich auf einen Hocker neben dem Tisch. Er hält einen hölzernen Quirl in der Hand und tut so, als wäre es ein Mikrophon.
     
    DAVID
    Ja, das hier sind also unsere toten Freunde. Sie wohnen sozusagen mit uns im Haus. Darf ich vorstellen: Mimmi und Karin …
     
    JUDIT (unterbricht ihn)
    Kajsa.
     
    DAVID
    Okay, von mir aus Mimmi und Kajsa. Und ihre Eltern … wie waren noch deren Namen, Judit?«
     
    Judit überlegt kurz.
     
    JUDIT
    Hortensia und Joakim.
     
    DAVID
    Mutter Hortensia und Vater Joakim. Möchten Sie ein paar Worte an die Zuschauer richten, Joakim?
     
    David hält dem Vater den Quirl hin. In der Küche ist es ganz still. David seufzt und richtet den Quirl auf Hortensia.
     
    DAVID
    Dann eben nicht. Aber vielleicht hätten Sie einen Kommentar für uns, Hortensia?
     
    DINAH
    Hör auf!
     
    DAVID
    Was denn?
     
    DINAH
    Das ist nicht komisch!
     
    David zuckt die Schultern und geht auf die Kamera zu. Die wird ausgeschaltet.
    Als Gabriel auf den Abspielknopf drückt, sehen wir auf dem kleinen Display David mit dem Quirl. »
Ja, das hier sind also unsere toten Freunde. Sie wohnen sozusagen mit uns im Haus. Darf ich vorstellen: Mimmi und Karin … (Kajsa!) … Okay, von mir aus Mimmi und Kajsa.«
Wir starren auf das Display, als könnten wir nicht glauben, was wir da sehen. Oder vielmehr
nicht
sehen! Dann schauen wir alle zusammen zum Tisch, wo die Toten sitzen.
    »Die sind nicht drauf!«, sagt Gabriel verblüfft.
    »Das kann doch nicht wahr sein!«, sagt Dinah und starrt die Familie am Tisch ungläubig an.
    »Sag ich doch die ganze Zeit«, bemerkt David. »Ist der pure Horror hier!«
    »Auf jeden Fall sind sie tot«, sage ich.
    •
    David und Gabriel sitzen auf dem Traktor. Nach langem Herumwerkeln ist es ihnen gelungen, einen dreischarigen Pflug anzukoppeln, und jetzt brummt das Gefährt durch den Garten. Der Traktor hält kurz an. Der Pflug wird nach unten gesenkt, und als der Traktor weiterrollt, schneidet der Pflug in die Erde und

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