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Am Anfang war das Ende (German Edition)

Am Anfang war das Ende (German Edition)

Titel: Am Anfang war das Ende (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Casta
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und sieht mich dabei immer wieder mit einem breiten Lächeln an.
    »Schmeckt’s dir?«, frage ich.
    Die Kleine hustet kurz, dann nickt sie.
    »Ihr müsstet alle irgendwie heißen«, sage ich und schaue auf die Kinderschar. »Ihr braucht Namen. Versteht ihr das?«
    Doch sie futtern weiter, ohne sich darum zu scheren, was ich sage. Ich seufze und überlege, dass wir ihnen vielleicht so eine Art Indianernamen geben könnten, solche, die man sich selbst ausdenkt. Kleine Wolke und Schneller Fuchs und so.
    »Namen«, sage ich zu dem Mädchen. »Du brauchst einen Namen.«
    Sie sieht mich an, lächelt und stopft sich gleichzeitig Muscheln in den Mund.
    »J-u-d-i-t«, sage ich und deute auf mich selbst.
    Das Mädchen nickt.
    »D-i-e-n-s-t-a-g«, sagt sie dann mit ernstem Gesicht und deutet auf sich selbst.
    •
    In dieser Nacht erzählt Benjamin etwas von sich. Als Dinah und ich auf der Verandatreppe sitzen und uns unterhalten, kommt er zu uns heraus. Er könne nicht schlafen, sagt er.
    »Wir auch nicht«, sage ich und lächle ihn an.
    »Wo habt ihr euch eigentlich früher aufgehalten?«, fragt Dinah.
    Erst schweigt er eine Weile und schaut zu der toten Familie, die hinter ihm sitzt. Dann beginnt er zu erzählen.
    »Zuerst haben wir in einem Sammellager am Rand der Stadt gewohnt. Da waren vor allem Erwachsene, die meisten ungefähr gleich alt. Ältere Leute waren keine da, aber ziemlich viele Kinder.«
    Er verstummt, überlegt.
    »Was ist dann passiert?«
    »Es gab viel Streit. Das Wasser ist ja pausenlos gestiegen. Alle hatten wahnsinnig Angst und versuchten, sich irgendwie zu retten. Viele sind gestorben. Die wurden dann ins Wasser geworfen und davongespült. Orkane haben dann den größten Teil des Lagers zerstört, und als der Regen eine kurze Pause machte, sind die meisten in verschiedene Richtungen geflohen. Zum Schluss waren fast nur wir übrig.«
    Benjamin verstummt und macht eine erschöpfte Geste in die Nacht hinaus.
    »Was habt ihr dann gemacht?«
    »Wir sind so lange geblieben, wie es was zu essen gab. Das Letzte, was wir dort gegessen haben, war ein kranker Hund. Den haben wir mit Steinen erschlagen und dann über dem Feuer gebraten. Als der Hund aufgegessen war, haben wir die wenigen verwendbaren Sachen eingesammelt, die noch im Lager waren, und sind gegangen. Nachts. Eine Weile haben wir uns dann noch in der Stadt aufgehalten. Dort gab es immer noch Menschen, aber die waren verrückt vor Hunger und Krankheiten, denen zu begegnen war lebensgefährlich. Wir haben in Verstecken zwischen den Ruinen geschlafen. Eine Zeitlang haben wir in einem Keller gewohnt, aber als der Regen wieder losging und das Wasser wieder stieg, sind wir in eine Schule umgezogen. Wir haben immerzu nach Essen gesucht. Manchmal hatten wir Glück und konnten was aufstöbern. Das war dann ein Fest. Sonst haben wir Ratten gejagt. Damals waren wir noch viel mehr als jetzt.«
    »Was ist mit den anderen passiert?«
    Benjamin schweigt eine Weile und streicht Devil über den Rücken, als wollte er sich für das entschuldigen, was er uns erzählt.
    »Manche von ihnen sind gestorben.«
    »Warum?«
    »Wahrscheinlich sind sie krank geworden.«
    »Wovon denn?«
    Benjamin zuckt die Schultern. »Keine Ahnung.«
    Jetzt schweige ich eine Weile. Dann stelle ich eine Frage, die mir lange auf der Zunge lag: »Als wir in der Stadt waren, glaubten wir, Menschen zu hören, die eine Art Arbeitslied gesungen haben. Wir dachten, sie arbeiten vielleicht in irgendeinem Keller. Weißt du was darüber?«
    Benjamin zuckt die Schultern und hustet. »Keine Ahnung«, sagt er noch einmal. »Wir haben dann irgendwann beschlossen, die Stadt zu verlassen. Dort ist es lebensgefährlich. Aber eine Zeitlang haben wir auch hier auf dem Hof gewohnt.«
    »Das hab ich schon vermutet«, sage ich.
    Benjamin nickt. »Bis ihr gekommen seid«, sagt er mit einem schiefen Lächeln.
    »Hast du mich damals ins Schlafzimmer gebracht, als ich in den Tunnel gestürzt bin?«
    Benjamin nickt. »Wir haben die ganze Nacht gebraucht, um ihn zu reparieren«, sagt er.
    »Und wo seid ihr dann abgeblieben?«
    »Als wir gemerkt haben, dass wir euch nicht von hier verscheuchen konnten, sind wir wieder zu den Müllbergen zurück. Dort ging es uns gut. Man kann immer noch brauchbare Sachen finden. Und wir haben uns große Höhlen gegraben, die uns vorm Regen und der Sonne schützten. Nachts sind immer ein paar von uns in die Stadt, um Ratten zu jagen.«
    Ich nicke.
    »Und jetzt seid ihr wieder

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