Am Anfang war das Ende (German Edition)
darauf, entdeckt zu werden.
Genau da höre ich es in der Hecke hinterm Haus knacken. Einer der Männer ruft etwas. Dann höre ich schnelle Schritte, die vom Haus weg zu der Stelle laufen, von wo das Geräusch gekommen ist. Was kann das nur gewesen sein? Egal, es ist meine einzige Chance. Jetzt oder nie. Ich bedeute Devil weiterzulaufen und zwinge meine gefühllosen Beine, zum Haus zu stolpern. An der Hauswand bleibe ich stehen, lehne mich mit dem Rücken dagegen und höre mein Herz dumpf und schwer hämmern.
»Jetzt!«, flüstere ich Devil zu. »Komm!«
So schnell es mein halbgelähmter Körper erlaubt, husche ich um die Ecke und sehe die Männer bei der Hecke. Sie haben mir die Rücken zugekehrt und scheinen zu diskutieren. Gut, denke ich und schlüpfe durch die Küchentür.
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In der Küche stehen die Schranktüren weit offen. Der Hund und die Katze sind in einer Ecke gelandet, liegen direkt an der Wand, als hätte sie jemand aus dem Weg gekickt. Devil schnuppert sich eifrig und schwanzwedelnd durchs Zimmer.
»Gut«, flüstere ich. »Zeig mir, wo sie gewesen sind!«
Er tappt in den Flur hinaus, auch hier stehen die Schranktüren weit offen, und die Kleider, die Dinah und ich genäht haben, liegen in einem Haufen auf dem Boden. Dann folge ich Devil durchs Wohnzimmer. Die Schubladen in dem alten Schreibtisch sind herausgezogen, ihr Inhalt ist auf den Fußboden gekippt. Die sind gründlich, denke ich. Hoffentlich haben sie nicht vor, sämtliche Gebäude auf diese Art zu durchsuchen.
Als ich höre, dass Devil die Treppe zu den Schlafzimmern hinaufklappert, haste ich hinter ihm her. Sowohl das Schlafzimmer der Eltern als auch die Zimmer der Zwillinge sind auf die gleiche Art durchsucht worden wie die übrigen Räume. Die Männer sind effektiv und zügig vorgegangen, als hätten sie das alles schon öfter gemacht.
Vorsichtig schleiche ich ans Flurfenster zwischen den Schlafzimmern und spähe zu der Stelle, wo die Männer gestanden haben. Sie sind nicht mehr da. Mit zusammengekniffenen Augen suche ich den ganzen Garten ab, kann sie aber nirgends mehr sehen. Aber ich sehe Benjamin oben auf seiner Plattform. Er liegt auf dem Bauch, nur sein Kopf ragt über den Rand. Und plötzlich begreife ich: Es muss Benjamin gewesen sein, der etwas in die Hecke geworfen hat, um die Männer abzulenken! »Danke, Benjamin«, flüstere ich. Aber wo sind sie jetzt?, denke ich dann. Als ich in das Zimmer des einen Zwillings gehe und dort aus dem Fenster schaue, sehe ich es. Sie sind unterwegs zum Stall.
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23 . SZENE. INNEN/AUSSENAUFNAHME. HEUBODEN DER RATTEN.
DINAH, DAVID, GABRIEL, DIE KINDER, (HÄNFLING).
Das Bild ist dunkel. Nur durch die Spalten in der Bretterwand im Hintergrund sickert Licht. Die Rückenkonturen von David, Dinah, Gabriel und Vendela sind zu erkennen. Dann zoomt die Kamera ein ovales Astloch in der Bretterwand heran. Durch das Loch sehen wir in den Garten.
DAVID
Was machen sie jetzt?
DINAH
Hoffentlich finden sie Judit nicht.
GABRIEL
Ein Glück, dass sie den Hund hat.
DIE KLEINE DIENSTAG
Jetzt kommen sie!
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Als die Männer im Stall verschwinden, werde ich unschlüssig. Was mache ich jetzt nur? Wenn die Männer die anderen oben auf dem Heuboden entdecken, was dann? Ich streichle Devils Flanke, während ich fieberhaft überlege. Soll ich fliehen, damit wenigstens einer von uns frei ist? Oder soll ich bleiben und kämpfen, falls es nötig werden sollte? Aber wie soll ich mit diesen beiden Riesen fertig werden, die außerdem mit einer lebensgefährlichen Armbrust bewaffnet sind?
»Wir haben keine Chance, Devil«, sage ich. »Und ich bin mir nicht mal sicher, dass du zu mir hältst, wenn die Männer hierherkommen.«
Doch da sieht er zu mir hoch und gibt mir einen nassen Kuss mitten ins Gesicht.
»Tut mir leid«, sage ich. »Du und ich, Devil. Immer du und ich, das dürfen wir beide nie vergessen.«
Als ich so dastehe, Devil streichle und verzweifelt überlege, wie ich mich verhalten soll, höre ich zu meinem Entsetzen, dass die Haustür aufgeht. Wie ist es möglich, dass die Männer schon wieder zurück sind? Dann Schritte im Erdgeschoss. Vielleicht ist es nur einer von ihnen. Vielleicht hat er etwas vergessen. Ich schaue mich rasch um, sehe die offene Schranktür und entscheide mich, ohne zu zögern. Ich signalisiere Devil, er soll herkommen, doch er bleibt stehen, legt den Kopf schief und lauscht. Blitzschnell packe ich ihn am Nackenfell und führe ihn zum Schrank. Als ich
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