Am Anfang war das Wort
jenes Prinzen von Dänemark laut ausgesprochen zu haben, doch es war Arie Klein, dessen volle Lippen weiß geworden waren und zitterten, der das Schweigen, das im Angesicht des Todes entsteht, brach. Wortlos, ohne irgend jemanden zu zitieren, stieß er ein gurgelndes Geräusch aus und stolperte aus dem Zimmer.
Oberinspektor Ochajon gab Eli Bachar ein Zeichen, dieser ging hinaus und kam mit der Nachricht zurück, daß alle unterwegs seien. Michael stand in einer Ecke des Zimmers, neben dem Fenster, das er bereits vorsichtig geöffnet hatte, während er seine Hand in das Taschentuch wickelte, mit dem er sich die Nase zugehalten hatte, und hielt die Luft an.
Auf dieser Seite des Flurs waren die Zimmer größer und prächtiger, vermutlich waren sie nur für die älteren Professoren bestimmt, dachte Michael, sog die heiße Luft ein und schaute hinunter auf die goldene Kuppel der El-Aksa-Moschee und auf die Altstadt. Dann drehte er sich um und warf einen Blick auf die Leiche, erschauerte und wandte sich sofort wieder der Aussicht auf die Altstadt zu.
»Sie werden ihn runter in die Tiefgarage bringen müssen«, sagte Eli Bachar. Er stand in der Türöffnung und hielt die Tür ein Stück auf, offensichtlich in der Hoffnung, daß ein wenig Luft hereinkäme. »Die Aufzüge sind nicht weit von hier«, meinte Michael trocken. »Sie müssen nicht den ganzen Weg zu Fuß gehen.«
Eli Bachar schnaubte wie jemand, der sich die Nase zuhält, näherte sich vorsichtig der Leiche, die noch immer zwischen dem großen Stuhl und der Heizung lag, und schaute dem Pathologen über die Schulter, der sich über die Leiche gebeugt hatte. »Nicht anfassen!« warnte ihn Michael automatisch, ohne den Kopf zu wenden, wie jemand, der weiß, daß er etwas Überflüssiges sagt.
Lange Minuten vergingen, bis der junge Mediziner, dessen Gesicht zunehmend grüner wurde, bis es fast die Farbe seines grünlichen Kittels angenommen hatte, den Mund aufmachte. Dann sagte er schließlich leise: »Jemand hat hier wirklich ernsthaft verrückt gespielt.« Michael, der ihn noch nicht kannte, sah dem jungen Gesicht den Mangel an Erfahrung an und empfand Mitleid und Zuneigung für den jungen Mann, der es noch nicht gelernt hatte, sich hinter Fachausdrücken zu verschanzen. Nach einer Weile erklärte der Pathologe, daß man sicher Brüche der Wirbelsäule finden würde.
Den Blick noch immer auf die Leiche geheftet, fragte er, ob ihnen aufgefallen sei, daß die Krawatte benutzt worden war, um »... auch wenn klar ist, daß dies nicht die Todes-ursache war. Das kann ich mit ziemlicher Sicherheit sagen, noch vor der Obduktion, dieser Mann ist nicht durch Erwürgen gestorben, jedenfalls nicht durch Erwürgen mit der Krawatte. Hier, da können Sie es sehen«, wandte er sich an Eli Bachar. Dieser beugte sich gehorsam über den Hals des Toten, der um die verknotete Krawatte herum geschwollen war, wendete seinen Blick aber sofort wieder ab und stolperte zur Tür.
Von seinem Platz am Fenster beobachtete Oberinspektor Ochajon konzentriert das Gesicht des Pathologen. Er sah die dünnen Fältchen um die Augen und stellte fest, daß der Mann wohl doch nicht mehr so jung war.
Ruhig fragte er, wie lange der Tote seiner Ansicht nach schon so daliege, und der Pathologe antwortete: »Nun, es muß noch genauer untersucht werden, aber wenn Sie eine grobe Schätzung wollen ...« Michael nickte, und er fuhr fort: »Man kann ungefähr von achtundvierzig Stunden ausgehen, mindestens.« Er deutete auf den Anzug, der an dem aufgequollenen Körper eng und zerknittert aussah.
Michael fragte, ob er vor seinem Tod geschlagen worden sei. Der Arzt wischte sich mit der Hand, die in einem dünnen Gummihandschuh steckte, die Schweißperlen von der Stirn. »Es sieht so aus. Ich vermute, jemand hat ihn ins Gesicht geschlagen, vielleicht sogar mit der Faust, obwohl ich eher zu der Annahme neige, daß der Täter einen Gegenstand verwendet hat, vielleicht einen Stuhl, das scheint plausibler.« Er schaute Michael an, mit Augen, in denen noch das Entsetzen stand. Michael wollte nach weiteren medizinischen Details fragen, als die Tür aufging.
Auch auf den Gesichtern der Beamten von der Spurensicherung, die bereits alles gesehen hatten, gefror das energische Lächeln, noch bevor sie einen genauen Blick auf die Leiche geworfen hatten. Michael wußte, daß sein Gesichtsausdruck den grauenvollen Anblick verriet – diesmal schaffte er es nicht, das aufzusetzen, was Zila liebevoll »dein Pokerface« nannte
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