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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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Überraschungen?« fragte ich.
    »Ja«, meinte Bammer, »wenn Sie wollen, machen wir bald die nächste Sendung. Die geht dann garantiert nach draußen.«
    »Das muß ich mir erst noch überlegen«, schnauzte ich und verließ grußlos das Studio.

    »Was zahlen sie?« wollte Rilke als erstes wissen.
    »Keine Ahnung. Ich weiß wirklich nicht, ob ich es mache, so wie die mich verarscht haben.«
    »Sei bloß nicht zickig. Die haben dich vor einer möglichen Blamage bewahrt, du solltest denen dankbar sein.«
    Er griff nach einem Buch und begann zu blättern.
    Wir lagen nackt auf seinem Bett, gerade hatten wir zusammen geschlafen, und er schien so weit weg, als säße er auf dem Mars.
    »Rilke, was ist los mit dir?« fragte ich. »Du hast dich verändert.«
    Er ließ das Buch sinken, legte es aber nicht weg.
    »Ich habe mich nicht verändert, es hat sich verändert.«
    »Es?«
    Ich spürte, daß er nicht reden wollte. Aber ich hielt es nicht aus, innerlich so getrennt von ihm zu sein. Ich fuhr ihm mit der Hand durch die Haare, wollte mit der Berührung die Distanz überwinden.
    »Was meinst du mit ›es‹?« fragte ich noch mal.
    »Das zwischen uns«, antwortete Rilke widerwillig. »Die Spannung ist weg, der Alltag erdrückt uns. Am Anfang war alles leicht. Jetzt diskutieren wir über Geld und streiten uns, weil du eifersüchtig bist.«
    Das war ungerecht. Nie hatte ich versucht, ihn einzuengen, seine Bewegungsfreiheit zu beschränken. Daß ich ihn begehrte und ihm nahe sein wollte, konnte er mir doch nicht zum Vorwurf machen!
    »Du hast vorgeschlagen, daß ich bei dir wohnen soll«, erinnerte ich ihn.
    »Für eine Weile. Bis du was anderes gefunden hast. Du hast ja überhaupt nicht gesucht.«
    Ich war wie vom Donner gerührt. Zugegeben, wir hatten die »Weile« nie genau definiert, aber ich hatte immer den Eindruck gehabt, es sei in Ordnung für ihn, daß ich da war. Jetzt tat er so, als hätte ich mich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen bei ihm eingenistet.
    Gut, das mit Friedrichs Annäherungsversuch war geschwindelt gewesen. Aber anders hätte Rilke sich doch nie einen Ruck gegeben und seine verdammte Angst vor Nähe überwunden.
    »Soll ich gehen?« fragte ich.
    »Nein, so habe ich es nicht gemeint. Nur, irgendwas muß sich ändern. Mir ist das zu … zu spießig.«
    Ohne ein weiteres Wort zog ich mich an und ging rüber in mein Zimmer. Dort legte ich mich aufs Bett und starrte an die Decke. Spießig. Ich war ihm zu spießig.
    Ich wusch seine Klamotten, weil sie im Bad rumflogen, und das war spießig. Ich kaufte ein und kochte, weil ich gerne was anderes aß als Tiefkühlpizza, und das war spießig. Ich vermißte ihn, wenn er weg war und freute mich, wenn er kam, und das war spießig.
    Irgendwann wurde mir klar, daß es um etwas anderes ging.
    Er war jung und neugierig und hatte alles noch vor sich.
    Ich war nicht mehr jung und ziemlich abgeklärt und hatte das meiste schon hinter mir. Er suchte das Abenteuer, das Neue, noch nie Erlebte. Und ich konnte ihm, obwohl ich so gerne gewollt hätte, dabei nicht folgen.
    Manche Reisen kann man nur mit jemandem machen, der am gleichen Punkt steht wie man selbst. Wir standen an völlig unterschiedlichen Punkten unseres Lebens.
    Und trotzdem war ich so in den Kerl verliebt, daß ich es kaum ertrug. Was sollte ich bloß machen?

Zweiundzwanzig
     
    Ich hatte beschlossen, mich totzustellen.
    Ich ließ Rilke so weit in Ruhe, wie es nur möglich war und versuchte, mich unsichtbar zu machen. Ich hoffte, das, was zwischen uns war, würde sich auf Dauer als stärker erweisen als seine Zweifel.
    Aber die Leidenschaft, diese bislang so verläßliche Verbindung zwischen uns, wurde schwächer. Früher hatten wir fast jeden Tag zusammen geschlafen, an manchen Tagen sogar mehrmals. Inzwischen vergingen oft viele Tage, bis wir wieder Sex hatten. Im gleichen Bett hatten wir schon lange nicht mehr übernachtet; meist schlich ich irgendwann zurück in mein Zimmer und lag wach und unglücklich da, bis es hell wurde.
    Tagsüber ging ich kaum noch aus dem Haus, sondern lauerte darauf, daß er käme und mir ein paar Minuten Zeit und Zuwendung schenkte. Oft wartete ich vergeblich.
    Ich kompensierte meinen Kummer mit manischem Putzen; die Wohnung war sauber und aufgeräumt wie vermutlich noch nie seit Bestehen der WG.
    »Übertreib’s nicht«, brummte Hartmann gutmütig, wenn er mich mit Staubsauger und Wischlappen hantieren sah, »ich fühl mich allmählich selbst wie ein Schmutzfleck inmitten

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