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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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zu, wenig später fiel die Wohnungstür ins Schloß.

    Es gab kein Zurück mehr. Punkt fünfzehn Uhr würde die Sendung beginnen. Herr Bammer hatte mir mitgeteilt, daß live gesendet werden würde, wegen der Anrufer.
    »Und wenn ich kein Wort rauskriege?«
    »Dann legen wir schnell ein vorbereitetes Band ein«, beruhigte er mich.

    Es war kurz nach vierzehn Uhr.
    Frau Wüster tanzte um mich herum wie ein Boxtrainer um seinen Schützling und versuchte, mir alle Wünsche von den Augen abzulesen.
    Ob ich mit den Expertinnen vorher schon mal reden wollte? Ob ich während der Sendung lieber ein Glas Wasser hätte oder einen Kaffee? Ob ich die Platten selbst auflegen oder das der Technikerin überlassen wollte?
    Wieviel Information ich zu den Anrufern jeweils wollte?
    Mir drehte sich der Kopf.
    »Ich hätte gerne zehn Minuten meine Ruhe«, stöhnte ich, und sofort zauberte Frau Wüster den Schlüssel zu einem ungenutzten Aufnahmeraum hervor, in den ich mich zurückziehen konnte. Dort lief ich auf und ab und versuchte, mich mit Atemübungen zu beruhigen.
    Ich hatte sowieso eine Menge anderer Probleme zur Zeit.
    Rilke, der sich immer mehr zurückzog. Jonas, der vehement meine Heimkehr forderte. Und Friedrich, der sich weiterhin weigerte, mich finanziell zu unterstützen.
    Es war seine Art, sich zu rächen.
    Außerdem hatte er offenbar angefangen, unserer Trennung angenehme Seiten abzugewinnen. Von Lucy wußte ich, daß er kürzlich mit Christina ausgegangen war, seiner langmähnigen Tischdame von der Hochzeit. Sie war zu Besuch bei ihrem Vater gewesen und hatte ihn einfach angerufen.
    Ich überlegte, ob Christina jetzt meine Stiefschwester wäre oder in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis wir zueinander stünden. Und was, wenn Friedrich sie heiratete? Könnte sie gleichzeitig meine Schwester und meine Schwägerin sein? Ich wurde mir nicht klar darüber, eigentlich war es mir auch egal.
    Die einzige, die mir zur Zeit keine Schwierigkeiten machte, war Queen Mum. Die war mit ihrem neuen Ehemann ausgelastet. Momentweise war ich fast ein bißchen neidisch auf ihr ungetrübtes Glück.
    »Sind Sie fertig, Bella?«
    Ich schreckte aus meinen Gedanken. Draußen stand Frau Wüster und klopfte gegen die Tür.
    »Ich komme«, rief ich.
    Ich begrüßte die beiden Expertinnen, die Personalchefin einer großen Firma und eine Psychologin, und wir machten es uns gemütlich, soweit man in dem sterilen, schallgedämmten Raum von Gemütlichkeit sprechen konnte. Mit einer entspannten Kaffeeklatschsituation hatte das Ambiente ungefähr soviel Ähnlichkeit wie mit einem Aufenthalt auf dem Operationstisch.
    Die Zeiger der riesigen Studiouhr rückten unbarmherzig nach vorne. Ich stülpte meine Kopfhörer über.
    »Noch drei Minuten, dann Werbung, Wetter und Nachrichten. Nach den Verkehrsmeldungen der ›Talk-am-Nachmittag‹-Jingle, dann Begrüßungsmoderation und die erste Musik. Alles klar?« hörte ich die Stimme von Frau Wüster.
    Ich nickte mechanisch. Die Zeit dehnte sich. Ich versuchte ein bißchen Small talk mit meinen Gästen, aber denen hatte die ungewohnte Situation die Sprache verschlagen.
    Die Nachrichten und Verkehrsmeldungen rauschten an mir vorüber, die Erkennungsmelodie der Sendung erklang.
    Mit dem letzten Ton leuchtete unter der Studio-Uhr eine rote Lampe auf.
    Jetzt. Ich war dran. Genau in dieser Sekunde wartete der leere Äther darauf, von meiner Stimme gefüllt zu werden.
    »Einen wunderschönen Nachmittag, liebe Hörerinnen und Hörer, ich freue mich, daß Sie dabei sind bei unserer Talkrunde zum Thema Liebe am Arbeitsplatz. Ich habe zwei Expertinnen im Studio, und natürlich können und sollen Sie anrufen, um uns über Ihre Erfahrungen mit dem Thema zu berichten. Gleich geht’s los, zum Einstieg Gute-Laune-Musik: Manfred Mann’s Earth Band mit »Davy’s on the road again«.«
    Mein Herz klopfte zum Zerspringen, meine Hände waren schweißnaß. Aber immerhin hatte ich die erste Moderation ohne Fehler rübergebracht.
    Ich warf einen Blick auf meinen Spickzettel.
    »Telefonnummer«, stand da. Und »Vorstellung Gäste, erste Frage.«
    Ich fühlte, wie meine Bluse unter den Armen feucht wurde. Das rote Licht ging wieder an, ich sagte noch mal das Thema an, gab die Telefonnummer durch und stellte die beiden Expertinnen vor.
    Plötzlich kam es mir so vor, als hätte ich die Namen der zwei Frauen verwechselt. Welche hieß jetzt Maifarth, war das die Psychologin oder doch die andere? Und wie war noch der zweite Name, Simbuck

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