Am Anfang war der Seitensprung
Vor Schreck lief er weg, statt seinen Gast zu begrüßen. Nicki und Hartmann sahen sich verständnislos an, flüsternd klärte ich sie auf.
»Wer ist denn hier der Gastgeber?« dröhnte Pakleppas Stimme zu uns rüber.
Ich ging auf ihn zu, reichte ihm die Hand und sagte:
»Ich. Guten Abend, Herr Pakleppa. Ich freue mich sehr, daß Sie uns die Ehre geben.«
Er sah mich gelangweilt an, drückte mir die Flasche in die Hand und deutete mit einer nachlässigen Bewegung auf seine Begleiterin. Natürlich, sie hatte ihn mitgeschleppt, um vor ihren Freunden anzugeben.
»Daisy«, stellte Pakleppa sie vor.
Ich nickte. »Wir kennen uns.« Das »leider« verschluckte ich.
Ich bedankte mich für die Flasche, wünschte einen schönen Abend und verdrückte mich. Worüber sollte ich mit so einem reden? Ich würde ihn doch nur langweilen.
Die Leute, die ihn kannten, starrten das Paar mit unverhohlener Neugierde an. Alle fragten sich, wie Daisy zu einem so prominenten Begleiter käme, zumal es kaum ihre intellektuellen Fähigkeiten sein konnten, die ihn an ihr interessierten. Nun ja, vielleicht lagen ihre Stärken auf anderem Gebiet.
Ich holte mir ein Bier und ein Stück von meiner Lachslasagne und setzte mich das erste Mal an diesem Tag hin.
Die Leute sprachen angeregt miteinander, die Stimmung war gut, die Jungs schienen ihren Spaß zu haben. Ich sah mich um. Wo war eigentlich Rilke? Ich entdeckte ihn, an einen Türrahmen gelehnt, im Gespräch mit einem Mädchen. Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Wo hatte ich die schon gesehen? Sie hatte halblange, dunkle Haare und trug eine helle Wildlederjacke.
Richtig, bei der Lesung. »Süß« hatte sie Rilke gefunden und ihm unsere Telefonnummer abgeschwatzt. Die beiden sprachen ziemlich vertraut miteinander, es sah nicht so aus, als würden sie sich heute erst zum zweiten Mal begegnen.
Schlagartig schmeckte mir mein Essen nicht mehr. Ich stellte den Teller ab. Dann versuchte ich, in eine andere Richtung zu sehen. Rilke sollte nicht merken, daß ich ihn beobachtete. Aber wie unter Zwang drehte ich immer wieder den Kopf in seine Richtung.
Schließlich stand ich auf und ging in die Küche.
Dort führte Nicki einen Balztanz vor Doreen auf, die so tat, als interessiere sie sich für Hartmann. Der hockte unbeteiligt auf dem Fensterbrett und aß von einem randvoll gefüllten Teller. Doreens affektiertes Schauspielerinnengetue ließ ihn völlig kalt. Als er mich sah, zeigte er mit der Gabel auf sein Essen und bedeutete mir, wie köstlich es sei. Ich lächelte ihm zu und wanderte weiter.
Ein paar Leute saßen im Bad und kifften; ein Typ mit einer tätowierten Glatze und einem Ring durch die Nase hielt mir den Joint entgegen. Ich schüttelte den Kopf.
Mir war schon schlecht. Und ich haßte gepiercte Leute, die mußten einfach pervers sein.
Schließlich erreichte ich das Wohnzimmer. Dort wurde bereits heftig getanzt, ich war gespannt, wie lange es dauern würde, bis die Bullen vor der Tür stünden. Konnte mir wurscht sein, war ja nicht meine Wohnung.
Ich entdeckte Rilke und das Mädchen. Sie tanzten. Und anders als die meisten Paare, die sich nur gleichzeitig im Takt bewegten, tanzten sie wirklich zusammen. Sie faßten sich an den Händen, ließen sich wieder los, berührten sich und lösten sich, sahen sich in die Augen, lachten sich an und riefen sich Bemerkungen zu.
Ich stellte mir plötzlich vor, wie sie miteinander schliefen. Ob er die ganze Zeit, in der wir zusammen waren, auch mit anderen geschlafen hatte? Ich hatte den Gedanken immer verdrängt, hatte versucht, die Eifersucht nicht zuzulassen. Plötzlich überrollte sie mich mit aller Macht.
Ich mußte irgendwas tun, was ihn mir wieder nahebrachte. Irgendwas, das er toll fand. Oder wofür er mir wenigstens dankbar sein müßte.
Ich straffte meinen Körper und ging wie zufällig in die Richtung von Pakleppa, der an einem Tisch saß und Meeresfrüchte verspeiste. Akribisch piekte er einen Bissen nach dem anderen mit der Gabel auf und steckte ihn in den Mund. Seine Zähne mahlten unnatürlich schnell, er sah aus wie ein mummelnder Hase. Die doofe Daisy saß daneben und plapperte irgend etwas Belangloses; ganz offensichtlich hörte er nicht zu. Mechanisch fuhr er mit seiner linken Hand ihren Oberschenkel rauf und runter.
»Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl, Herr Pakleppa«, lächelte ich ihn an und ließ mich ihm gegenüber auf einem Stuhl nieder. Daisy war verstummt, als hätte jemand auf den Aus-Knopf gedrückt.
Pakleppa
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