Am Anfang war der Seitensprung
oder Simbach? Panisch sah ich von der einen zur anderen. Beide verzogen keine Miene.
Ich fragte die Personalchefin, wie oft es passiert, daß Kollegen etwas miteinander anfangen; von der Psychologin wollte ich wissen, wie haltbar solche Beziehungen sind.
Plötzlich klingelte mein Telefon zum ersten Mal. Oh Gott, was mußte ich jetzt tun? Wohin mit dem Hörer? Mir fiel ein, daß ich nur einen Knopf drücken mußte, dann würde ich die Stimme im Kopfhörer hören.
Frau Wüster hielt einen Zettel gegen die Scheibe.
»Tanja, 26 Jahre.«
»Hallo, Tanja, schön, daß Sie anrufen! Was sind Sie von Beruf?«
»Ich arbeite in einer Werbeagentur«, piepste ein verschüchtertes Stimmchen.
»Und welche Erfahrungen haben Sie dort mit der Liebe gemacht?«
»Na ja, ich bin in einen Kollegen verliebt. Aber der reagiert gar nicht.«
Die Psychologin erklärte, daß viele Männer Angst vor einer Verbindung am Arbeitsplatz hätten, weil sie Nachteile für ihre Karriere befürchteten.
Die Personalchefin sagte, eine »prickelnde« Atmosphäre am Arbeitsplatz könne nicht schaden; die Unternehmen hätten meist nichts gegen solche Verbindungen.
Wir gaben Tanja den Rat, etwas offensiver um den Kollegen zu werben, und mit flatternden Fingern drückte ich alle möglichen Knöpfe, um die Verbindung zu beenden. Ich war ein Nervenbündel; am liebsten wäre ich geflüchtet.
Der zweite Anrufer suchte Rat, weil er sich von seiner Chefin erotisch verfolgt fühlte.
Ich mußte grinsen. »Wie sieht sie aus?« fragte ich.
»Ahm … na ja, ganz gut.«
»Na, dann greifen Sie doch zu!«
»Nein, lieber nicht«, schaltete sich Frau Maifarth ein.
Oder war es doch Frau Simbach?
»Hierarchieübergreifende Affären sind problematisch.
Wenn Macht ins Spiel kommt, kann es gefährlich werden.«
Als ich einwand, viele Sekretärinnen würden doch ihren Chef heiraten, brach im Studio eine heftige Diskussion über die Geschlechterrollen im Arbeitsleben aus. Ich hatte Mühe, die zwei Damen zu bremsen und verabschiedete schnell den Anrufer.
Ein Blick auf die Studiouhr: noch nicht mal die Hälfte der Zeit war vorbei. Meine Anspannung war so stark, daß ich einen steifen Nacken bekam und den Kopf kaum noch bewegen konnte. Wie eine Schildkröte drehte ich den Hals hin und her, wenn ich mit meinen Studiogästen sprach.
Endlich waren zwei Stunden vorbei. Ich bedankte mich bei den Zuhörern und den Expertinnen, der Ausstiegs-Jingle erklang, und da flog auch schon die Tür auf, und Frau Wüster stürmte herein.
»Phantastisch«, rief sie, »als hätten Sie Ihr Leben lang nichts anderes gemacht!«
Gemäßigteren Schrittes war ihr Programmdirektor Bammer gefolgt.
»Glückwunsch, Frau Schrader. Sie sind ein echtes Naturtalent.«
Ich war fix und fertig. Die Schwitzflecken unter meinen Armen hatten die Taille erreicht, meine Hände zitterten, ich fühlte mich, als wäre ich dem Schleudergang der Waschmaschine entstiegen.
»Nie wieder«, stieß ich hervor, »das ist ja schlimmer als die Abiturprüfung!«
Alle lachten.
»Man hat Ihnen die Nervosität überhaupt nicht angemerkt«, sagte die Psychologin bewundernd,
»übrigens, mein Name ist Simbuck, nicht Simbach.«
Wenn das mein einziger Fehler gewesen war, konnte ich wirklich froh sein, wenn man bedenkt, was noch alles hätte schiefgehen können. Ich war plötzlich ganz schön stolz auf mich.
»Wie viele Leute haben die Sendung jetzt ungefähr gehört?« fragte ich neugierig.
Herr Bammer lächelte nachsichtig.
»Liebe Frau Schrader! Glauben Sie wirklich, wir hätten eine blutige Anfängerin live auf Sendung gelassen? Das war natürlich eine Aufzeichnung. Wir haben Sie glauben lassen, wir seien live, um Ihre Nerven zu testen.«
Ich traute meinen Ohren nicht. »Und die Anrufer?«
»Hier aus dem Sender. Alles liebe Mitarbeiter von uns.«
Ich schnappte nach Luft. »Soll das heißen, ich habe mich völlig umsonst aufgeregt? Ich habe die ganze Zeit in eine Mülltüte geredet, und kein Schwein hat’s gehört?« kreischte ich hysterisch.
Frau Wüster, Herr Bammer und die zwei Damen schauten betreten beiseite.
Dann nickte Herr Bammer.
»Es war zu Ihrem eigenen Schutz. Viele halten den Streß beim ersten Mal nicht durch.«
Die trauen mir’s also doch nicht zu, dachte ich wütend.
Ich fühlte mich hintergangen und gedemütigt. Was sollte ich den Kindern sagen, die umsonst vor dem Radio gesessen hatten, und was Friedrich? Der würde sich doch schlapplachen, wenn er die Geschichte hörte.
»Sonst noch
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