Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
Vom Netzwerk:
können, etwas Geld rauszurücken.
    »Es ist keine Spinnerei, ich mache eine Sprecherausbildung und bald schon meine erste Sendung.«
    »Echt, Mami, können wir dich dann im Radio hören?« fragte Lucy beeindruckt, ich nickte, Friedrich verdrehte die Augen.
    »Ich verstehe nicht, wieso du mit fast vierzig alles machen mußt, was andere mit Anfang Zwanzig machen.«
    »Erstens bin ich erst siebenunddreißig und außerdem … vielleicht muß ich ein paar Sachen nachholen, gerade weil ich sie mit Anfang Zwanzig nicht gemacht habe.«
    »Das ist doch lächerlich«, brummte Friedrich und nahm sich ein zweites Stück Kuchen.
    »Schön, daß dir mein Kuchen schmeckt«, lächelte ich ihn an.

    »Das kannst du wenigstens«, gab er zurück.
    Ich ermahnte mich innerlich zur Zurückhaltung. Er war in seinem männlichen Stolz gekränkt, soviel war klar.
    Und wenn Männer sich schwach fühlen, werden sie bösartig.
    »Ich hoffe, du laberst dann nicht so viel Mist wie die meisten Moderatoren«, sagte Lucy.
    Ich grinste. »Ich bin ja nicht mehr Anfang Zwanzig. Zum Glück.«
    Später machte ich mit Jonas und Lucy einen Spaziergang.
    Lucy gab mir Tips.
    »Wenn du Zeit gewinnen willst, wiederholst du einfach, was der andere gesagt hast. Und wenn jemand was Saublödes sagt, fragst du: Habe ich das richtig verstanden, daß Sie meinen … dann muß der noch mal drüber nachdenken, ob er den Mist weiter vertritt.«
    Ich war erstaunt. Wie genau Lucy offenbar hinhörte. Ich hatte immer gedacht, ihr ginge es nur um die Musik.
    Jonas lief voraus und probierte, mit einem Schmetterlingsnetz Vögel zu fangen. Glücklicherweise waren sie schneller als er. Was den kleinen Kerl an den Biestern bloß so faszinierte?
    »Und wenn du eine Musik ansagst, dann sag nicht einfach, das ist der Titel Soundso aus der neuen CD, sondern gib dir ein bißchen Mühe. Erzähl was über die Band oder über deine Erinnerungen an das Lied, irgendwas Persönliches.«
    »Ich werde dran denken«, sagte ich ernsthaft, »danke für die Tips!«

Einundzwanzig
     
    Zwei Tage vor der Probesendung überfiel mich höllisches Lampenfieber. Es war Abend, ich brütete über meinern Fragenkatalog zum Thema: »Liebe am Arbeitsplatz.«
    Ich würde zwei Expertinnen im Studio haben und mit Anrufern sprechen; die Musik, die zwischendurch laufen würde, sollte ich selbst aussuchen. Das war das kleinste Problem gewesen, ich hatte einfach eine Reihe meiner Lieblingssongs aufgelistet und zu jedem dazugeschrieben, warum ich ihn mochte.
    »Die Sendung richtet sich vorwiegend an Frauen zwischen sechzehn und sechzig«, hatte Herr Bammer mir beim Vorbereitungsgespräch erklärt. »Sie stehen altersmäßig genau in der Mitte, wahrscheinlich haben Sie eine Mutter um die Sechzig und könnten eine sechzehnjährige Tochter haben.«
    »Ich habe eine sechzehnjährige Tochter«, stellte ich fest.
    »Na, um so besser. Dann wissen Sie ja, wie man mit jungen Leuten spricht. Es soll so persönlich und locker wie möglich werden. Stellen sie sich vor, sie plaudern mit den Frauen bei einer Tasse Kaffee.«
    Ich stellte mir literweise Kaffee und plaudernde Frauen vor, aber die Aufregung blieb.
    Als ich in Rilkes Zimmer schlich, um mich von ihm moralisch aufrüsten zu lassen, telefonierte er. Diskret wollte ich mich zurückziehen, aber im gleichen Moment beendete er das Gespräch.
    »Bis später«, hörte ich. Seine Stimme klang weich, seine Augen glänzten.
    »Gehst du noch weg?«

    »Mmh.«
    Ich wurde traurig und gleichzeitig wütend.
    Nie war er da, wenn ich ihn brauchte. Nie fragte er, wie es mir ginge oder ob er etwas für mich tun könnte. Er redete mit mir, wenn er wollte. Er schlief mit mir, wenn er wollte. Und er ließ mich alleine, wenn er wollte.
    »Könntest du nicht heute mal zu Hause bleiben?« fragte ich und schämte mich wegen meines unterwürfigen Tonfalls.
    »Tut mir leid, hab mich gerade verabredet.«
    »Immer sind die anderen wichtiger als ich.«
    »Bella, ich bin nicht mit dir verheiratet«, sagte Rilke.
    »Stimmt«, gab ich zurück. »Aber unter diesen Umständen hätte ich gleich bei meinem Mann bleiben können.«
    Pfui Teufel, wie frustriert das klang! Fehlte nur, daß Rilke jetzt sagte: »Dann geh doch zurück.«
    Aber er sah mich nur an und bat: »Mach es nicht kaputt, Bella.«
    Ich wußte, jedes weitere Wort würde alles noch schlimmer machen. Ich biß mir auf die Lippen.
    Später hörte ich von meinem Zimmer aus, wie Rilke sich duschte und die Zähne putzte. Sein Schrank klappte auf und

Weitere Kostenlose Bücher