Am Anfang war der Seitensprung
von soviel Sauberkeit.«
»Könntest du mal eben auch durch mein Zimmer gehen?« bat hingegen Nicki.
Ich schaffte Ordnung in seinem Saustall, so wie ich es bei Lucy gemacht hatte. Es war eine Art Sühneaktion, denn mehr und mehr plagten mich Schuldgefühle.
»Eigentlich finde ich es ziemlich Scheiße von dir, daß du von deinen Kindern weg bist«, hatte Nicki irgendwann gesagt. »Meine Mutter ist auch wegen einem anderen Kerl abgehauen, da war ich gerade zehn. Ich hab gelitten wie ein Tier. Aber was willste machen, wenn eine Mutter meint, sie müßte sich selbst verwirklichen.«
Verzweifelt schrubbte ich sein Zimmer und fragte mich, ob ich eine Rabenmutter wäre. Ja, es stimmte, ich hatte meine Kinder verlassen wegen eines Kerls. Aber tat ich nicht alles, um ihnen die Trennung erträglich zu machen?
Und hatte ich nicht nach so vielen Jahren auch ein Recht auf ein eigenes Leben?
Andererseits: Unterschied sich mein Leben jetzt eigentlich so sehr von dem vorher? Die Jungs hatten sich schnell daran gewöhnt, daß ich mich ums Wäschewaschen, Einkaufen und Kochen kümmerte, meist trug ich auch den Müll runter und fuhr das Altglas zum Container. Ich machte das gleiche wie früher, nur daß die Kinder, die ich versorgte, nicht »Mami« zu mir sagten. Es sah so aus, als könnte ich machen, was ich wollte, ich blieb die Hausfrau und Mutter.
Schluß mit dem Selbstmitleid! befahl ich mir eines Tages und beschloß, ein Fest zu organisieren. Ich mußte endlich etwas Positives tun, statt mich weiter mit Ängsten und Zweifeln zu martern.
»Ich koche was Tolles, und jeder von euch lädt ein paar Freunde ein«, schlug ich den Jungs vor und fühlte mich wie eine Kindergartentante, die ihre lustlosen Schützlinge aufmuntern will.
»Wer wäscht ab?« wollte Nicki wissen.
Er bevorzugte Lieferungen durch einen Party-Service, der auch gleich das gebrauchte Geschirr wieder mitnahm.
»Na, wer schon?« fragte ich zurück. Als hätte Nicki einmal abgespült, seit ich dort wohnte.
Hartmann war natürlich einverstanden; gegen ein gutes Essen, egal in welcher Gesellschaft, hatte er nie was einzuwenden.
»Lieb von dir«, sagte auch Rilke und küßte mich.
Mein Herz machte einen Sprung. Alles würde gut werden.
Ich übertraf mich selbst. Zwei volle Tage kochte ich, bis die beiden zum Büffet umfunktionierten Tapeziertische auf dem Flur sich unter den Köstlichkeiten bogen.
Lachslasagne, gegrillte Austernpilze, Spinat in Blätterteig, Meeresfrüchte, Fleischpasteten und Salate standen neben einer Platte mit feinstem Käse und exotischen Früchten. Eine Mandelbaisertorte und eine Schokoladenmousse bildeten den süßen Abschluß.
Hartmann schlich wie ein hungriger Kater um das Essen herum, lange bevor die Gäste eintreffen sollten. Immer wieder mußte ich eingreifen, weil er durch seine Nascherei meine dekorativen Arrangements zerstörte.
Ich hatte die Wohnung mit Kerzen dekoriert und mehrere Sitzgruppen aufgebaut, damit die Gäste zwanglos miteinander reden könnten. Das Wohnzimmer hatten wir leergeräumt und Rilkes Anlage aufgebaut; vielleicht würden wir ja später Lust haben zu tanzen.
Ich freute mich und war aufgeregt wie vor den wenigen Parties meiner Teeniezeit, die ich im Hobbykeller meiner Eltern feiern durfte. In wochenlanger Arbeit hatte ich damals den ganzen Raum mit bemalten Eierkartons ausgekleidet, damit meine Eltern nicht gestört werden sollten.
Kurz bevor meine Freunde kamen, zogen sie sich immer zum Fernsehen zurück, und ich schleppte schnell zwei alte Matratzen in den Partyraum, für die »Knutschecke.«
Um kurz vor elf mußten die Matratzen wieder verschwunden sein, weil Punkt elf mein Vater in der Tür stand, in die Hände klatschte und gegen den Lärm anrief:
»Danke für euren Besuch, kommt gut nach Hause!«
Mißtrauisch schnüffelnd untersuchte er dann den ganzen Raum, ob nicht doch jemand heimlich geraucht und die Kippe womöglich nicht richtig ausgedrückt hatte.
Es klingelte, die ersten Gäste kamen. Es waren Pit, Kim und Michel, die Jungs von der Band. Bald darauf kam Doreen mit zwei Freundinnen, gefolgt von Rilkes Clique und ein paar anderen, die ich nicht kannte. Es wurde schnell voll, ich war heilfroh, daß ich so reichlich gekocht hatte.
Als die Haustür wieder mal aufging, erspähte ich plötzlich ein bekanntes Gesicht: Marian Pakleppa. Der berühmte Kritiker betrat die Wohnung. Im einen Arm hielt er eine Champagnerflasche, im anderen die doofe Daisy.
Rilke blieb der Mund offen stehen.
Weitere Kostenlose Bücher