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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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schließlich. »Das hast du wirklich gemacht? Du hast diesem Wichtigtuer Rilkes Sachen zu lesen gegeben?«
    »Ja, hab ich. Und was ist daran komisch? Rilke ist so wütend, wie ich ihn noch nie gesehen habe.«
    »Der beruhigt sich schon wieder.«
    »Glaubst du wirklich? Ich hatte eher Angst, er bringt mich um.«
    »Auf diesen ganzen Kritikerquatsch darf man doch nichts geben. Dieser Typ, dieser Pakleppa, ist doch nur ein eingebildetes Großmaul. Ich begreife nicht, wie man sein Gesülze überhaupt ernst nehmen kann.«
    Damit biß er in ein Marmeladenbrot und griff sich den Sportteil.
    Er hat recht, dachte ich. Rilke wird sich beruhigen.
    Eigentlich war das Ganze sogar ziemlich komisch, wenn man davon absah, daß ich die lächerliche Figur in dem Artikel war. Wie war der Scheißkerl bloß dahintergekommen, daß Rilke und ich liiert waren? War ich wirklich so eine miserable Schauspielerin? Vielleicht hatte es ihm die doofe Daisy gesteckt. Egal. Jetzt konnte ich es auch nicht mehr ändern.
    Mit etwas Humor müßte man das Ganze als das sehen können, was es war: Das Gegeifere eines Kerls, der vielleicht selbst gerne Dichter geworden wäre und es nur bis zum Kritiker gebracht hatte. Sicher wäre auch Rilke selbstbewußt genug, darüber zu lachen, sobald sein Zorn verraucht war. Ich hoffte, er würde bald zurückkommen.
    Aber er kam nicht. Diese Nacht nicht und auch die folgende nicht. Ich lief wie von Sinnen durch die Wohnung und machte Nicki und Hartmann verrückt.
    »Der taucht schon wieder auf«, winkten die beiden genervt ab.
    »Hat sicher seinen Kummer ertränkt und ist irgendwo hängengeblieben«, vermutete Nicki.
    »Oder er hat Pakleppa die Eier abgeschnitten und schmort im Knast«, feixte Hartmann.
    Ich wußte überhaupt nicht mehr, was ich denken sollte, aber ich hatte ein ganz mieses Gefühl.
    Am dritten Tag stand Rilke plötzlich in der Wohnung. Er war nicht alleine. Bei ihm war das Mädchen mit der Wildlederjacke.
    »Hi, Bella, alles klar?«
    Ich stand da wie festgeschraubt und sah ihn an.
    »Das ist Sandrine.«
    Er zeigte auf seine Begleiterin, die unbefangen lächelte.
    Sicher hatte sie nicht die geringste Ahnung, in welcher Beziehung Rilke und ich zueinander standen. Vermutlich hielt sie mich auch für seine Mutter. Oder für die Haushälterin.
    Die beiden verschwanden Arm in Arm in Rilkes Zimmer. Wenig später hörte man Sandrine kichern.
    »Tja, dumm gelaufen.«
    Ich drehte mich um, hinter mir stand Hartmann und sah mich mitfühlend an. »Ich hab dir gesagt, er ist ein harter Brocken.«
    Ich machte einen Satz zu Rilkes Zimmertür. Bevor ich die Klinke runterdrücken konnte, legte sich eine Hand auf meine. Ich hörte Hartmanns Stimme.
    »Ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt gehst. Besser für dich, meine ich.«
    Ich taumelte aus der Wohnung.
    »Stunk mit deinem Lover?« fragte Lucy im Vorbeigehen, als ich schniefend den Gartenweg entlangkam. Sie blieb nicht stehen. Auf der Straße stellte sie sich auf ihr Skateboard und sauste weg.
    Auch Friedrich und Jonas waren im Aufbruch.
    »Hallo, Mami, schade, daß du jetzt kommst, wir gehen gerade«, begrüßte mich Jonas.
    Friedrich warf mir nur einen Blick zu und sagte gar nichts. Ich lief die Treppe hinauf und warf mich auf mein Bett.
    Wie lange war ich weg gewesen? Es schien mir, als sei eine Ewigkeit vergangen, dabei waren es nur ein paar Wochen.
    Ich hatte es verbockt. Eigentlich gab es nichts, was ich in letzter Zeit nicht verbockt hätte.
    Ich hatte meine Kinder vernachlässigt, meine Ehe ruiniert und mich bei meinen Bekannten blamiert. Ich hatte sechstausend Mark in den Sand gesetzt und eine Sendung moderiert, die niemand gehört hatte. Der große Ausbruch aus meinem kleinen Reihenhausleben war kläglich gescheitert; als betrogene Ehefrau hatte er begonnen und als betrogene Geliebte geendet.
    Ich hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Ich konnte nicht weinen, nicht schreien, nur ein merkwürdiges Krächzen kam aus meinem Hals. Ohne nachzudenken stand ich auf, lief ins Bad und öffnete den Medikamentenschrank.
    Ich drückte fünfzehn Valium aus der Packung und schüttete sie in den Mund. Mit einem Zahnputzglas voller Wasser spülte ich sie hinunter. Schlafen. Ich wollte schlafen. Ob ich jemals wieder aufwachen würde, war mir völlig egal.

Dreiundzwanzig
     
    Ich wachte ziemlich bald wieder auf, und zwar davon, daß Friedrich mich über die Kloschüssel hielt und ohrfeigte.
    Ich kotzte, er schlug, ich kotzte, er schlug.
    »Das würde dir so passen,

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