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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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andere mit Bart und Lodenjanker.
    Ich steuerte auf den Bärtigen zu. Als ich schon im Begriff war, mich an seinen Tisch zu setzen, bemerkte ich das Fehlen der verabredeten Zeitung. Verwirrt sah ich mich um. Der Anzugtyp schaute rüber und zeigte auf die
    »Woche«, die neben seinem Weinglas lag.
    Als ich auf ihn zuging, erhob er sich höflich und kam mir entgegen. »Frau Schrader?«
    Ich nickte.
    Dieser Typ entsprach so überhaupt nicht der Vorstellung, die ich mir von ihm gemacht hatte, daß ich einen Moment brauchte, um mich von der Überraschung zu erholen. Mitte vierzig, schlank, kurzes, dunkelblondes Haar, ein sympathisches, eher weiches Gesicht, dessen hervorstechendes Merkmal ein schön geschnittener Mund war. Kein Tom Cruise, aber mit Rudolf Scharping konnte er’s allemal aufnehmen. Ich sollte ihn mit Doro bekannt machen, dachte ich flüchtig.
    »Enttäuscht?« fragte er, unsicher lächelnd.
    Ich erinnerte mich an den Zweck unserer Zusammenkunft und setzte ein unverbindliches Gesicht auf.
    »Herr Hinterseer«, begann ich ohne Umschweife, »ich habe mich ausschließlich mit Ihnen getroffen, um Sie zu bitten, Ihre Anrufe in der Bank einzustellen. Ich habe Ihnen bereits mehrfach gesagt, daß ich eine glücklich verheiratete Frau bin und daß Ihre Bemühungen sinnlos sind.«
    Mein Gegenüber sah mich träumerisch an. Er hatte gar nicht zugehört.
    »Sie sehen genauso aus, wie ich Sie mir vorgestellt habe.
    Weich und weiblich, wie Ihre Stimme. Wissen Sie, wenn man Ihre Stimme hört, kriegt man Lust, Ihnen sein ganzes Leben zu erzählen.«
    Das hatte mir gerade noch gefehlt! Andererseits mußte ich den Abend ja nicht gleich beenden. Wofür hatte ich mich aufgeputzt? Ich konnte mich ja ein bißchen mit ihm unterhalten, einfach so. Ich setzte mich hin.
    »Sie sind Weintrinker?« fragte ich wenig originell.
    »Ja, obwohl ich ein echter Bayer bin, mag ich kein Bier.
    Fast schon tragisch ist das, es nimmt einen ja keiner ernst hierzulande.«
    »Ich mag Bier«, sagte ich in einem Ton, als wollte ich ihm vor Augen führen, wie unversöhnlich die Gegensätze zwischen uns waren. Ich winkte der Kellnerin.
    »Darf ich fragen, was Sie beruflich machen?« setzte ich die Konversation fort.
    »Sie dürfen mich fragen, was Sie wollen«, lächelte er treuherzig.
    Bevor es dazu kam, öffnete sich die Tür der Gaststube, und eine Gruppe von Leuten drängte lachend und schwatzend hinein. Ich streifte die Gesichter mit einem beiläufigen Blick und erstarrte. Eine der Personen war Doro. Im gleichen Moment sah sie mich, und obwohl mir der Schweiß ausbrach, merkte ich, daß auch sie ein betretenes Gesicht machte. Im nächsten Moment wußte ich, warum. Der letzte der Gruppe, der gerade die Tür hinter sich schloß, war Friedrich.
    Er sah mich an, mit einem irgendwie abwesenden Ausdruck; einen Moment lang wirkte er, als wüßte er nicht genau, woher er mich kannte. Dann kam er auf mich zu.
    Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht stieg, meine Handinnenflächen wurden feucht.
    »Anna, was machst du denn hier, ich dachte, du bist im Kino?« fragte Friedrich so freundlich, wie man eine Bekannte behandelt, die man lange nicht gesehen hat.
    Es war merkwürdig, diesem Mann, mit dem ich Nacht für Nacht im gleichen Bett schlief, der mir bei der Geburt unserer Kinder den Rücken massiert hatte und der mich kannte wie kein anderer, an einem fremden Ort zu begegnen. Ich hatte immer gedacht, wir wüßten alles voneinander, aber plötzlich sah es so aus, als hätte jeder von uns ein eigenes Leben, von dem der andere nichts ahnte.
    »Das ist Herr Hinterseer.« Ich zeigte unbeholfen auf meinen Begleiter.
    »Herr Hinterseer, mein Mann.«
    Die beiden Männer begrüßten sich per Handschlag. Jetzt kam auch Doro an den Tisch.
    »Na, das ist ja ’ne Überraschung!« sagte sie munter und küßte mich. Dann streckte sie Herrn Hinterseer die Hand entgegen.
    »Doro Tanning, sehr angenehm!«
    Obwohl ich durch dieses unerwartete Zusammentreffen im höchsten Grade alarmiert war, beobachtete ich neugierig, wie er auf Doro reagierte. Ich hatte gelegentlich mit Neid bemerkt, wie sich bei Doros Anblick die Pupillen von Männern schlagartig weiteten und ihre Muskulatur sich straffte. Herr Hinterseer grüßte freundlich, aber seine Pupillen blieben unverändert. Vielleicht war Doro nicht sein Typ.
    Der Abend ging weiter, wie ich es mir am wenigsten vorgestellt hatte: Doro und Friedrich setzten sich zu uns, wir unterhielten uns wie Leute, die sich zufällig

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