Am Anfang war der Seitensprung
kennengelernt hatten. Friedrich war geistreich und gesprächig wie lange nicht, Doro drehte ein paar Papierkügelchen und versuchte, Hinterseer zu beflirten.
Der erzählte von seiner Tätigkeit als Optiker, und Doro tat so, als könne sie sich keinen spannenderen Beruf vorstellen.
Die Situation hatte etwas durchaus Stimulierendes, wie durch eine geheime Verabredung wurden die entscheidenden Fragen nicht gestellt.
Kaum waren Friedrich und ich wieder zu Hause, war es vorbei mit der vornehmen Zurückhaltung.
»Erklär mir bitte, warum du mit einem wildfremden Mann zusammensitzt, während du angeblich mit einer Kollegin im Kino bist?« brüllte Friedrich.
»Schrei mich nicht so an!« brüllte ich zurück.
Im gleichen Moment fiel mir ein, daß Queen Mum im Zimmer gegenüber schlief. Beziehungsweise nicht mehr schlief, wie ich annahm. Den Spaß wollte ich ihr nicht gönnen, sie an unserem Ehekrach teilhaben zu lassen.
Mit einem wildfremden Mann! Wie er das so sagte, klang es in der Tat nach einer schwerwiegenden Verfehlung.
Aber ich hatte mir längst eine Ausrede zurechtgelegt.
Mit deutlich leiserer Stimme sagte ich: »Herr Hinterseer ist der Freund meiner Kollegin. Sie hatte einen schweren Migräneanfall, und bis sie entschieden hatte, daß sie sich ins Bett legt, war es zu spät fürs Kino. Da hat er vorgeschlagen, daß wir was trinken gehen. Ich wollte nicht unhöflich sein.«
Ich wunderte mich, wie leicht mir diese Lüge von den Lippen ging. Gleichzeitig begann ich mich zu fragen, warum ich ihm überhaupt eine Lüge auftischte. Aber die Wahrheit klang eben viel unwahrscheinlicher.
»Das soll ich dir glauben?« Friedrich schaute skeptisch.
Ich hatte beschlossen, so schnell wie möglich von mir abzulenken. Schließlich war es auch ungewöhnlich, daß er mit Doro zusammen aufgetaucht war. Mit ein bißchen bösem Willen könnte auch ich ihm einiges unterstellen.
»Darf ich wenigstens erfahren, wie es kommt, daß du in Gesellschaft meiner Freundin warst?«
Friedrich machte eine ungeduldige Handbewegung, um zu zeigen, daß es darum jetzt überhaupt nicht ginge.
»Doro hat angerufen, als du gerade das Haus verlassen hattest. Sie wollte eigentlich fragen, ob du Lust auf ein Bier hast. Als sie hörte, daß du nicht da bist, hat sie aus purer Verlegenheit mich gefragt.«
Genauso hatte ich es mir vorgestellt. Eigentlich schade, dachte ich. Wenn er ein schlechtes Gewissen hätte, würde er mich vielleicht jetzt in Ruhe lassen. So mußte ich mich weiter bemühen, ihn zu beruhigen.
Ich legte ihm die Arme um den Hals.
»Schatz, glaubst du wirklich, ich würde mich mit meinem Geliebten stundenlang in eine blöde bayerische Bierwirtschaft setzen? Da wäre mir die Zeit doch zu schade.«
Das schien ihm einzuleuchten.
»Also gut, ich glaub dir jetzt einfach mal. Oder nein, aus Mangel an Beweisen spreche ich dich vorläufig frei«, flachste er unbeholfen.
Unser Versöhnungskuß wurde schnell zu einem wilden Liebesakt, dessen besondere Leidenschaft ich der Tatsache zuschrieb, daß Friedrich heute abend mit dem schleichenden Gift der Eifersucht in Berührung gekommen war, und das hatte sich ja schon immer als anregend erwiesen.
Das Zusammenleben mit Queen Mum war wie ein Spaziergang auf einem Minenfeld. Wir schlichen vorsichtig umeinander herum, immer bestrebt, die Kreise des anderen nicht zu stören.
Mit spitzen Fingern entfernte ich volle Aschenbecher, riß demonstrativ die Fenster auf und räumte ärgerlich ihre Naturkosmetiktöpfchen im Badezimmer hin und her, weil sie mir überall im Weg waren. Sie verstreute hie und da kritische Bemerkungen über unsere Eßgewohnheiten, die Manieren meiner Kinder und meine Qualitäten als Mutter.
Nur Friedrich ließ sie ungeschoren, für ihn hegte sie eine Mischung aus Respekt und echter Zuneigung.
Gelegentlich flirtete sie regelrecht mit ihm.
Weil wir beide spürten, daß jeder unbedachte Schritt eine Explosion auslösen könnte, war unser Umgangston ungewohnt höflich und rücksichtsvoll. Aber es kam, wie es kommen mußte, eines Tages war es vorbei mit dem trügerischen Frieden.
Lucy, die mir seit Wochen wegen des Konzertes irgendeiner dämlichen Boy Group in den Ohren gelegen hatte, nahm heimlich Geld aus meiner Handtasche. Ich hatte mich geweigert, ihr welches zu geben, weil ich ihre miesen Schulnoten nicht mit einer achtzig Mark teuren Konzertkarte belohnen wollte. Ich war wütend und erschrocken über ihren Diebstahl; so was hatte sie noch nie gemacht. Streng stellte
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