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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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knirschendes Geräusch, als das Garagentor über das Dach schrammte.
    Wie besinnungslos fuhr ich kreuz und quer durch die Gegend, ich sah kaum die Straße vor lauter Tränen.
    Mein Mann betrügt mich mit meiner besten Freundin, dröhnte es ohne Unterlaß in meinem Kopf. Sicher hatten sie schon länger was miteinander, und ich blöde Kuh hatte nichts gemerkt. Mir fiel der Abend mit Herrn Hinterseer in der Kneipe ein. Doros Erschrecken bei meinem Anblick stellte sich jetzt in einem anderen Licht dar. Sie hatte sich nicht meinetwegen Sorgen gemacht, sie hatte sich ganz einfach ertappt gefühlt. Und ich naives Muttchen legte sie Friedrich sozusagen ins Bett! Ich zitterte am ganzen Körper, weinte, schrie und fluchte abwechselnd.
    Ich hatte keine Ahnung, wo ich war, die Lichter verschwammen vor meinen Augen. Plötzlich kam mir ein Wagen auf meiner Spur entgegen. Nur durch eine Vollbremsung konnte ich verhindern, daß ich frontal in ihn reinknallte.
    Der Fahrer stieg aus, riß meine Tür auf und brüllte mich an.
    »Du bescheuertes Weibstück, wo hast du denn deine Augen? Den Führerschein sollte man dir abnehmen, du dumme Gans!« Er knallte die Tür zu, stieg in seinen Lieferwagen und fuhr weg.
    Den Führerschein? Ich erschrak. Panisch begann ich zu suchen und bemerkte, daß ich meine Handtasche mit allen Papieren, Geld, Schecks und Kreditkarten zu Hause liegengelassen hatte. Nur ein paar Münzen fanden sich im Handschuhfach.
    Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Wo sollte ich hin? Nach Hause wollte ich um keinen Preis. Aus meiner besten Freundin, zu der ich mich normalerweise geflüchtet hätte, war meine schlimmste Feindin geworden. Marthe, Wiltrud und Horst, die Kiga-Kampftruppe? Nein.
    Dann hätten die endlich den Beweis, daß mein Mann mich mißhandelte, wenn auch nicht körperlich.
    Es blieb nur eine Möglichkeit.
    Ich fuhr los und suchte nach einer Telefonzelle. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich begriff, daß die Dinger nicht mehr gelb waren, sondern grau-rosa. Was das gekostet haben mußte, die alle auszutauschen! Als ich endlich eine Zelle gefunden hatte, blätterte ich im Telefonbuch.
    Mit flattrigen Fingern wählte ich die Nummer, verwählte mich, setzte neu an. Endlich hörte ich das Freizeichen.
    Lieber Gott, mach, daß er da ist, flehte ich.
    Eine männliche Stimme meldete sich.
    »Hinterseer.«
    Ich schluckte.
    »Hier ist Annabelle. Annabelle Schrader. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern …?«
    »Natürlich erinnere ich mich, Ihre Stimme vergißt man nicht. Ist was passiert?«
    »Kann man so sagen«, sagte ich und fing wieder an zu heulen. »Sie … Sie wollten doch mal mein Freund sein … kann ich zu Ihnen kommen?«
    Einen Moment herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung.
    »Jetzt?«
    »Ja, es ist … es ist sozusagen ein Notfall.«
    »In Ordnung. Rumfordstraße 11.«
    Erleichtert hängte ich ein. Wenigstens würde ich die Nacht nicht in einer Telefonzelle verbringen müssen.
    Oder quer über den Vordersitzen meines Autos.

    Benno öffnete die Tür im Bademantel. Er sah ganz verschlafen aus, hatte sich aber ordentlich gekämmt. Seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er noch ein bißchen schlanker geworden. Er nahm mir mit einem überraschten Blick die Reisetasche ab und führte mich ins Wohnzimmer.
    Um sich wachzuhalten, hatte er den Fernseher eingeschaltet. Zwei unglaublich fette Sumo-Ringer saßen sich in der Hocke gegenüber, wiegten sich bedrohlich hin und her und stürzten plötzlich aufeinander zu. Ich starrte wie gebannt auf das Schauspiel. Die Fleischberge verklammerten sich ineinander, schoben und drückten, bis einer das Gleichgewicht verlor und mit einem Fuß außerhalb des Ringes landete. Sofort ließen beide voneinander ab, als sei nichts gewesen. Der Verlierer verließ den Ring, der Gewinner vollführte ein paar rituelle Gesten, ließ sich vom Publikum feiern und machte Platz für das nächste Paar.
    Ich stand da wie in Trance und zuckte erschrocken zusammen, als Benno mich an der Schulter berührte.
    »Was zu trinken?«
    Ich nickte. Er ging kurz aus dem Zimmer, ich hörte ihn in der Küche mit Gläsern klappern.
    Seine Einrichtung war von erschütternder Biederkeit.
    Auf dem Boden lag beigefarbene Auslegware, die wild gemusterte Sitzgruppe stand gegenüber einer Schrankwand aus schwarzem Schleiflack mit silbernen Griffen und Glastüren. Ein Couchtisch aus Rauchglas, ein schmales, hohes CD-Regal und ein paar langweilige Drucke an den Wänden, die alle Augen oder Brillen

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