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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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doch glatt, mir die Schuld für seinen Seitensprung in die Schuhe zu schieben!
    »Aber deswegen kann es dir ja trotzdem leid tun«, rief ich so laut, daß eine vorbeigehende Spaziergängerin erschrocken einen Satz machte.
    »Es tut mir ja leid«, sagte er unbeholfen. »Ich habe Mist gebaut und entschuldige mich bei dir. Ich möchte, daß es zwischen uns wieder wie früher wird.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Es kann nicht mehr werden wie früher. Auch bei mir hat sich was verändert.«
    Friedrich nickte ungeduldig.
    »Ich weiß, ich weiß. Deine Mutter hat mir erzählt, daß da irgend so ein Junge aufgetaucht ist.«
    »Es ist nicht irgend so ein Junge«, sagte ich heftig, »ich habe mich verliebt. Und ich werde diese Liebe ausleben, koste es, was es wolle!«
    Ich erschrak selbst, als ich mich das sagen hörte.
    Friedrich nahm meine Hände in seine und sah mich eindringlich an. »Und was ist mit uns?«

    Ich hatte keine Ahnung. Ich konnte jetzt, hier, auf dieser Parkbank, nicht entscheiden, was mit uns war. Mein Leben war aus den Fugen, ich wußte nicht im entferntesten, wie es weitergehen sollte. Ich wußte nur eines: So wie früher würde es nie mehr werden, weder mit noch ohne Friedrich. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und schloß die Augen. Für einen Moment stellte sich die alte Vertrautheit ein. Nein, ich konnte nicht so tun, als hätte Friedrich keine Bedeutung mehr für mich.
    Aber ich sah keinen Platz für ihn in meinem Leben.
    Ich setzte mich aufrecht hin und sagte: »Ich möchte, daß wir uns trennen. Wir müssen uns ja nicht gleich scheiden lassen. Du kannst die Kinder sehen, sooft du willst, nur nicht bei uns zu Hause. Ich wünsche mir, daß wir Freunde bleiben.«
    Friedrich war rot angelaufen. Er sprang auf und lief hin und her.
    »Freunde?« bellte er, »ich bin nicht dein Freund, ich bin dein Mann. Und ich bin der Vater von Lucy und Jonas.
    Ich lasse mich nicht einfach hinausdrängen! Ich habe einen Fehler gemacht, ich habe mich entschuldigt, was willst du denn noch?«
    Auf jeden Fall nicht mehr dieses langweilige, festgefahrene Nebeneinander, das wir seit Jahren gelebt haben.
    Den ritualisierten Sex, die kleinen Lieblosigkeiten des Alltags, die Berechenbarkeit unserer Beziehung. Die immer gleichen Diskussionen, ob der Urlaub ans Meer oder in die Berge gehen soll, die immer gleichen Geschenkgutscheine zu Weihnachten und zum Geburtstag, die immer gleichen Floskeln zur Begrüßung und zum Abschied.
    Lieber wollte ich zugrunde gehen an der Leidenschaft zu Rilke, an der Sprunghaftigkeit und Kindlichkeit seines Wesens, an der Unsicherheit und Unberechenbarkeit seines Verhaltens, an der Ungewißheit, ob er mich morgen noch wollte.
    »Tut mir leid«, sagte ich leise und stand auf. »Mehr habe ich dir nicht zu sagen.«

    »Und du traust dich wirklich?« fragte Rilke und sah mich skeptisch an.
    Wir saßen in seiner Küche, Hartmann und Nicki waren im Kino, wir waren endlich mal wieder allein.
    »Ja. Ich habe beschlossen, daß ich von nun an all die Dinge tun werde, vor denen ich mich fürchte«, sagte ich mit fester Stimme.
    »Also gut. In zehn Tagen haben wir den nächsten Auftritt im ›Easy Club‹. Bis dahin proben wir viermal.
    Such dir ein paar Songs raus, damit du mitproben kannst.«
    Ich nickte aufgeregt. Ich würde vor zweihundert Leuten auf einer Bühne stehen und das tun, wovon ich insgeheim geträumt hatte: Ich würde singen! Und ich würde endlich etwas mit Rilke zusammen machen. Ich wäre nicht mehr nur Gast in seinem Leben.
    Rilke nahm einen Schluck aus der Bierflasche und kippelte auf seinem Stuhl. Gedankenverloren griff er nach einem Literaturmagazin, in dem zwei seiner Gedichte abgedruckt waren. Stolz wie ein Kind hatte er sie mir gezeigt, als ich vorhin gekommen war. Jetzt hatte er die Seite wiedergefunden und schwelgte im Anblick der Worte, die seiner Phantasie entsprungen waren. Ich verstand ihn so gut. Es mußte wunderbar sein, Anerkennung zu bekommen.
    Er legte die Zeitschrift weg und sah mich an.

    »Wußtest du, daß es in Japan Künstler gibt, die alle paar Jahre ihren Namen ändern? Sie beginnen wieder ganz von vorn, um nicht Sklaven ihres Erfolges zu werden.«
    Ich lachte. »Du solltest dringend darüber nachdenken.«
    »Das mache ich bereits«, sagte er und grinste, »irgendwelche Vorschläge?«
    Ich überlegte laut. »Münchhausen? Artaud? Bogart?«
    Interessiert hörte Rilke zu.
    »Du hältst mich also für einen coolen Typen, der am Rande des Irreseins entlangbalanciert

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