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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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Hand, weil sie Glück bringen.«
    »Glück bringe ich auch«, versicherte Rilke.
    Und jede Menge Scherereien, dachte ich.
    »Warum hast du bei Mami geschlafen?« wollte Jonas jetzt wissen.
    Rilke kratzte sich am Kopf, dann sagte er mit todernstem Gesicht: »Weil in meinem Bett ein Tiger liegt. Und Tiger schnarchen so laut.«
    Jonas dachte nach. »Zeigst du mir den Tiger?«
    »Dieser Tiger hat Angst vor kleinen Jungen. Aber deine Mama geht sicher mal mit dir in den Zirkus und zeigt dir die Tiger dort.«
    »Au ja, Mami, machst du das?« rief Jonas und hatte völlig das Interesse an der Frage verloren, wie der Fremde ins Bett seiner Mutter geraten war. Ich nickte ergeben.
    »Das erzähl ich Lucy!« Er lief aus dem Zimmer.
    »Und was machen wir jetzt?« Verzweifelt rang ich die Hände.
    »Keine Ahnung, du bist der Boß. Wenn du willst, springe ich aus dem Fenster.«
    Er schlüpfte in seine Jeans. Ich hielt ihn am Arm fest.
    »Bloß nicht!«
    Jonas kam mit ratlosem Gesicht zurück. »Wo ist Lucy?«
    Ich schoß in die Höhe. »Was soll das heißen, ist sie nicht in ihrem Zimmer?«
    »Nein, und ihr Bett ist ganz ordentlich.«
    Ruhig bleiben, dachte ich. Bestimmt ist sie noch bei Jojo.
    Wenn was passiert wäre, hätten wir es schon erfahren.
    Jetzt mußte erst mal Rilke verschwinden. Meine Mutter würde mich umbringen, wenn sie ihn erwischte, besonders, weil sie gestern vor Martin so mit ihrer Familie angegeben hatte. Friedrich hatten wir der Einfachheit halber auf Geschäftsreise geschickt. Was würde das für einen Eindruck machen, wenn ich jetzt mit einem jungen Kerl aus dem Schlafzimmer käme? Ich ging vor, um zu sehen, ob die Luft rein war. Die Tür von Queen Mums Zimmer und das Gästezimmer waren geschlossen.
    »Komm«, flüsterte ich, und Rilke schlich hinter mir her.
    Wir hatten fast die Treppe erreicht, da öffnete sich die Tür zum Zimmer meiner Mutter. Queen Mum kam heraus.
    Ihr auf dem Fuß folgte Martin.
    Ich riß die Augen auf. Was, zum Teufel, hatten die zwei Alten da drin getrieben? Die würden doch nicht … Nein, das konnte einfach nicht sein. Und noch dazu in meinem Haus!
    Vor Aufregung bekam ich einen Schluckauf.
    Queen Mums Gesichtszüge entgleisten. Rilke unterdrückte einen Lachanfall. Nur Martin behielt die Fassung. Fröhlich winkte er uns zu: »Guten Morgen, sehen wir uns gleich?«
    Ich murmelte ebenfalls einen Guten-Morgen-Gruß und schob Rilke die Treppe hinunter. Jonas tanzte um meine Mutter und Martin herum.
    »Ich darf in den Zirkus, ich darf in den Zirkus!«
    Als Rilke und ich an der Haustüre angekommen waren, prusteten wir los. »Das Leben ist voller Überraschungen«, grinste Rilke und küßte mich.
    »Hicks«, antwortete ich.
    Der verdammte Schluckauf hörte nicht auf. Rilke schwang sich auf sein Rad und sauste los. Versonnen sah ich ihm nach.
    Ein Wagen näherte sich. Es war ein riesiger, uralter Opel Kapitän, rot, mit weißem Dach. Scharfes Teil, dachte ich und wollte gerade die Haustür schließen, da hielt der Wagen, die Beifahrertür öffnete sich und Lucy entstieg dem Monstrum.

    Wieder hickste ich. Mit verklärtem Gesichtsausdruck schwebte Lucy auf mich zu und umarmte mich, ohne ein Wort zu sagen.
    »Ist es passiert?« fragte ich leise.
    Sie nickte.
    »Bist du stolz?«
    Sie nickte heftiger.
    »War es schön?«
    Sie sah mich an und lächelte unsicher. »Ich weiß nicht so genau …«
    Ich drückte sie an mich und hickste ein letztes Mal.
    »Eines kann ich dir versprechen: Es wird immer besser.«
    Sie lachte und schmiegte sich zärtlich an mich.
    Arm in Arm gingen wir ins Haus. Ich war gerührt und nachdenklich zugleich. Jetzt war es also soweit, meine große, kleine Tochter wurde erwachsen.
    Beim Frühstück taten alle so, als wäre nichts gewesen.
    Queen Mum kicherte albern wie ein junges Mädchen, Martin gab den Kavalier, der schweigend genießt. Lucy hatte Sternchen in den Augen und begriff sowieso nichts.
    Jonas blätterte in einem mit Tierbildern illustrierten Kalender und traktierte uns mit Fragen.
    »Können Tiger schnarchen?« wollte er wissen.
    »Manche schon«, sagte ich schnell und hoffte, er würde das Thema wechseln.
    »Der Wievielte ist heute?« fragte er.
    »Der Dreizehnte«, antwortete Martin.
    »Dann war heute nacht Vollmond«, teilte Jonas uns mit.
    »Stimmt«, lächelte Martin, »ich habe die Katzen schreien hören!«

Vierzehn
     
    »Wer ist der Junge?« fragte Queen Mum bei nächster Gelegenheit.
    »Er heißt Rilke, ist fünfzehn Jahre jünger als ich und der

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