Am Anfang war der Seitensprung
und Lügengeschichten erzählt«, faßte er meine Vorschläge zusammen. »Na, warte!« Er griff nach dem Magazin, rollte es zusammen und jagte mich durch die Wohnung.
Schreiend und lachend fielen wir auf sein Bett. Er riß den Reißverschluß meiner schwarzen Lederjeans auf, die ich Lucy wieder abgequatscht hatte, zog sie ein Stück runter und schlug mir mit der Papierrolle auf den nackten Po.
Ich quietschte empört auf, empfand in Wahrheit aber eine angenehme Mischung aus Schmerz und Lust. Ich war überrascht, was für Gefühle dieser Kerl in mir hervorrufen konnte.
»Liest du mir was vor?« fragte Jonas, wie jeden Abend beim Ins-Bett-Gehen.
»Mach ich. Welches Buch?«
Wie aus der Pistole geschossen antwortete er: »Vom Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat.« Das war sein Lieblingsbuch. Er lachte sich scheckig über die Geschichte des kleinen Maulwurfs, der herausfinden will, welches Tier die merkwürdige Verunreinigung auf seinem Kopf verursacht hat.
Überhaupt fand er – wie alle Kinder seines Alters – die schiere Erwähnung von Begriffen wie »Pipi«, »Kacka« oder »Popo« wahnsinnig witzig. Mit seinen Kindergartenfreunden konnte er ganze Nachmittage darüber kichern.
Also las ich, wie jeden Abend, sang ihm sein Schlaflied vor und küßte ihn auf die Stirn.
»Nicht küssen«, murmelte er, schob den Daumen in den Mund und war im nächsten Moment eingeschlafen.
Lucy wollte kein Schlaflied hören und auch keine Gute-Nacht-Geschichte.
»Sag mal, Mami, stimmt das, was Jonas mir erzählt hat?«
»Was denn?«
»Daß neulich morgens ein fremder Typ in deinem Bett lag.« Schnell fügte sie an: »Ich meine, ich traue ihm zu, daß er so was erfindet. Aber die Geschichte klang ziemlich echt.«
Ich hatte befürchtet, daß sie mich das fragen würde. Vor ihrer Reaktion hatte ich die größte Angst. Jonas verstand noch nicht, was los war, Queen Mum regte sich zwar immer noch schrecklich auf, war aber immerhin eine erwachsene Frau. Was die Neuigkeit bei Lucy auslösen würde, die in einer so schwierigen Phase steckte, wußte ich nicht.
Ich holte tief Luft. »Ja, Lucy, es stimmt. Ich habe mich in einen anderen Mann verliebt, und Jonas hat uns sozusagen in flagranti erwischt.«
»Aber Jonas sagt, der Typ war ein Schornsteinfeger. Was meint er denn damit? Ist es ein Schwarzer?« fragte Lucy weiter.
Ich lachte. »Nein, das mit dem Schornsteinfeger hat er sich ausgedacht. Rilke ist ein … ein ganz normaler, netter, junger Typ.«
»Wie jung?«
»Na ja, ziemlich jung. Dreiundzwanzig.«
»Dreiundzwanzig?« Lucy setzte sich ruckartig auf.
»Dann ist er ja nur ein bißchen älter als Jojo! Findest du das nicht peinlich?«
»Nein, finde ich nicht. Und ehrlich gesagt habe ich auch nicht erwartet, daß du so spießig bist«, sagte ich leicht gekränkt.
»Dreiundzwanzig«, wiederholte Lucy fassungslos. Dann sah sie mich an.
»Liebst du ihn?«
»Was heißt lieben. Ich bin sehr verliebt. Und ich möchte dieses Gefühl genießen, solange ich kann.«
Lucy überlegte. Ich merkte ihr an, daß sie ziemlich durcheinander war.
»Und … Papa? Liebst du den nicht mehr?«
»Mit Papa verbindet mich sehr viel, und ich hoffe, daß wir gute Freunde bleiben.«
»Hast du … ich meine, habt ihr wirklich Sex miteinander, dieser junge Typ und du?« fragte sie mit einem Gesicht, das regelrecht Abscheu ausdrückte. Fast hätte ich lachen müssen.
»Du wirst es nicht glauben, Lucy, aber auch Mütter haben Sex«, versicherte ich ihr lächelnd.
»Ja, aber … mit so einem jungen Typen … also irgendwie finde ich das unanständig!«
Ich durchstöberte meine Plattensammlung. Was sollte ich bei meinem Auftritt singen? Stundenlang hörte ich mich durch die alten Scheiben und entschied mich dann für einige Songs, die ich probieren wollte. Gegen Mitternacht sollte ich Rilke in der »Wunderbar« treffen, ich war gespannt, wie er meine Auswahl finden würde.
Plötzlich stand meine Mutter vor mir. Ich hatte sie nicht reinkommen hören. Sie hielt eine Zigarette zwischen den Fingern und rauchte hektisch. Dabei bewegte sie den Mund, an ihrer Miene konnte ich ablesen, daß es mal wieder grundsätzlich wurde.
Unsere Beziehung war an einem Tiefpunkt angekommen, sie kritisierte und nörgelte nur noch an mir herum.
Vor allem ließ sie keine Gelegenheit aus, sich abfällig über Rilke zu äußern. Daß die von ihr herbeigeführte Aussprache mit Friedrich nicht zur Versöhnung geführt hatte, kreidete sie mir als
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