Am Anfang war der Seitensprung
beste Liebhaber, den ich je hatte«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
Jetzt, wo alles herausgekommen war, hatte ich beschlossen, mit offenen Karten zu spielen. Ich würde mich nicht mehr verstecken. Und ich würde mich auch nicht rechtfertigen.
»Und wie soll das weitergehen?«
»Ich verstehe die Frage nicht.«
Meine Mutter verlor ihre mühsam bewahrte Beherrschung. Wie früher, wenn ich bockig war, begann sie zu keifen. Ich haßte ihre überschnappende Stimme, diesen schneidenden Tonfall.
»Willst du allen Ernstes weiter mit einem Jungen ins Bett gehen, der fast dein Sohn sein könnte?«
Ihr Busen wogte vor Empörung.
»Allerdings will ich das.«
»Ja, schämst du dich denn gar nicht?« kreischte sie.
»Nein, keine Spur. Du schämst dich ja auch nicht dafür, daß Martin neulich aus deinem Schlafzimmer kam.«
Meine Mutter zog hörbar die Luft ein, und ich sah ihr an, daß sie mir am liebsten eine geknallt hätte. Aber ihr war klar, daß diese Zeiten vorbei waren.
»Lenk nicht ab! Jetzt geht es um dich, deinen Mann und deinen Liebhaber.«
»Du sagst es, Mummy. Und deshalb geht es dich einen feuchten Dreck an, verstanden?«
»Irrtum! Ich bin die Großmutter deiner Kinder, und ich werde nicht dulden, daß du ihnen den Vater nimmst!«
Jetzt verlor auch ich die Beherrschung. »Und ich werde nicht dulden, daß du dich weiter in mein Leben mischst!
Ich bin sie-ben-und-drei-ßig Jahre alt!« schrie ich und stampfte mit dem Fuß auf.
»Dann benimm dich auch so!« schrie sie zurück.
Wir standen uns gegenüber wie zwei Ringkämpfer, zitternd vor Wut, die Fäuste geballt, im Begriff, einander zu zerfleischen. Nach einigen Sekunden, die sich dehnten wie ein schlechter Film, hatte ich mich wieder in der Gewalt.
Ich trat einen Schritt zurück, holte tief Luft und fragte:
»Also, was willst du?«
»Ich will, daß du mit Friedrich sprichst. Das bist du ihm schuldig.«
Ich zögerte einen Moment, dann stimmte ich zu. Um dieses Gespräch würde ich ohnehin nicht herumkommen, also konnte ich genausogut Queen Mum das Gefühl geben, einen Sieg davongetragen zu haben.
Wir trafen uns im Stadtpark, bei einer Bank, die früher schon unser Treffpunkt gewesen war. Friedrich hatte es so vorgeschlagen. Zuerst hatte ich mich gewehrt, ich wollte keine Erinnerung an glückliche Zeiten aufkommen lassen.
Aber dann hatte ich beschlossen, daß ich über solchen Äußerlichkeiten stünde.
Ich fühlte mich so gut wie schon seit Jahren nicht mehr, hatte mein Idealgewicht erreicht, trug fast zwei Kleidergrößen weniger und hatte mir erlaubt, einen größeren Betrag von unserem gemeinsamen Konto abzuheben, um mich neu einzukleiden. Das Haar trug ich jetzt noch ein Stück kürzer, was mich einige Jahre jünger erscheinen ließ.
Schon von weitem sah ich Friedrich auf unserer Bank sitzen. Er schaute suchend an mir vorbei. Erst als ich direkt vor ihm stand, erkannte er mich. Seine Augen weiteten sich.
»Anna, du?« stammelte er verwirrt.
Ich setzte mich neben ihn. Auch er hatte abgenommen, aber es ließ ihn nicht jünger, sondern älter erscheinen.
Die Haut in seinem Gesicht war faltig, seine Wangen wirkten eingefallen. Er beugte sich zu mir, küßte mich zur Begrüßung. Ich ließ es freundlich geschehen, ohne den Kuß zu erwidern.
»Wie geht’s dir?« fragte ich.
Plötzlich war ich überhaupt nicht mehr wütend. Ich sah ihn als das, was er war: ein netter, ziemlich durchschnittlicher Mann, der es in seinem Leben nicht besonders weit gebracht hatte und aus dem Gefühl heraus, sich etwas beweisen zu müssen, fremdgegangen war.
»Ganz gut«, antwortete Friedrich bemüht locker. »Wie geht’s den Kindern?«
»Sie fragen nach dir.«
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Verdammt, ich vermisse die beiden. Dich übrigens auch.«
Er sah mich nicht an.
»Also los«, forderte ich ihn freundlich lächelnd auf, »sag einfach, daß es dir leid tut.«
»Was?«
»Daß du mit meiner besten Freundin gevögelt hast, was denn sonst!«
»Darum geht’s doch gar nicht«, wiegelte Friedrich ab.
»Es hat doch vorher schon nicht mehr gestimmt zwischen uns.«
»Und was hat nicht gestimmt?«
»Du warst nur noch mit dir und deiner Mutter beschäftigt, du hast dich nicht mehr um mich gekümmert, du warst ständig gereizt und nervös.«
»Und deshalb bist du mit Doro ins Bett?«
»In gewisser Weise ja. Ich habe die Zuwendung bei ihr gesucht, die ich bei dir nicht gefunden habe.«
Es war nicht zu fassen! Jetzt versuchte dieser Mistkerl
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