Am Anfang war der Seitensprung
angeschnitten.
Wenn ich das nur selbst wüßte. Ich hatte Friedrich von meinem Plan erzählt, obwohl Rilke von seinem Glück noch gar nichts wußte. Jetzt wartete ich auf einen günstigen Moment, ihn davon zu überzeugen. Das Problem war nur, ich traute mich plötzlich nicht mehr.
Was wäre, wenn er ablehnte?
Dann müßte ich mich weiter mit dem grollenden Friedrich arrangieren, der keine Gelegenheit ausließ, den Gekränkten rauszuhängen.
»Wo soll ich schlafen, solange du noch da bist?« hatte er am ersten Tag gefragt.
»In deinem Bett natürlich, wo sonst?«
»Mein Bett ist bekanntlich auch dein Bett, und ich will nicht neben dir schlafen.«
Ich zuckte die Schultern. »Wenn du ein Problem damit hast, schlafe ich eben in der Kammer.«
Queen Mums Zimmer roch immer noch nach kaltem Rauch, und ich hatte bisher keine Zeit gefunden, es neu zu streichen. Also bezog ich den ehemaligen Abstellraum und nächtigte auf der Klappliege. Ich bekam Kreuzschmerzen von der durchgelegenen Matratze und dachte sehnsüchtig an meine bequeme Betthälfte.
Es war offensichtlich, daß Friedrich in seinem männlichen Stolz so verletzt war, daß er mir um jeden Preis beweisen mußte, wie desinteressiert er an mir war.
Vermutlich hätte ich in schwarzer Reizwäsche einen Schleiertanz vor ihm aufführen können, ohne eine Wirkung hervorzurufen.
Rilke war geräuschlos in die Küche gekommen. Er legte von hinten die Arme um meinen Hals und flüsterte:
»Woran denkst du, meine Schöne?«
»Mein Mann wohnt wieder zu Hause. Ist ’ne ziemlich komische Situation.«
»Hat er seine Freundin noch?«
»Nein. Sie hat ihn rausgesetzt. Jetzt will er unbedingt, daß zwischen uns alles wird wie vorher. Er bemüht sich wahnsinnig um mich, aber ich will nicht.«
Rilke pustete mir eine Haarsträhne aus der Stirn und nahm einen Schluck aus meiner Bierflasche.
»Schlaft ihr miteinander?«
Ich sah ihn überrascht an. Daß er so direkt fragen würde, hatte ich nicht erwartet.
»Er hat es versucht«, behauptete ich. »Eigentlich schläft er im Gästezimmer, aber gestern nacht stand er plötzlich im Schlafzimmer und jammerte, die Matratze sei so unbequem. Kaum lag er neben mir, wurde er zudringlich.«
Das Mondlicht fiel so auf Rilkes Brillengläser, daß sie hell aufblinkten. Ich konnte seine Augen nicht sehen.
»Was … was löst das bei dir aus?« fragte er und seine Stimme klang ausdruckslos.
»Ich weiß nicht«, antwortete ich zögernd, »sexuell haben wir uns eigentlich immer ganz gut verstanden. Aber zur Zeit habe ich keine Lust auf ihn.«
Rilke trank die Flasche in einem Zug leer und ließ sie geräuschvoll in die Kiste zurückfallen.
»Ich bin müde. Laß uns schlafen.«
Arm in Arm lagen wir auf seiner Matratze, nur mit einem Laken zugedeckt, weil es so schwül war.
Ich war fast schon eingeschlafen, da hörte ich seine Stimme an meinem Ohr.
»Wenn dich dein Typ nervt, kannst du ja für eine Weile hier wohnen.«
Mein Gesicht verzog sich zu einem zufriedenen Lächeln.
»Ist das dein Ernst?« war Hartmanns erste Frage, als Rilke ihm und Nicki beim Frühstück seinen Vorschlag unterbreitete.
»Ist nur vorübergehend«, erklärte Rilke.
Hartmann sah mich staunend an. »Was hast du denn mit dem gemacht? Bisher durfte sich kein weibliches Wesen länger als eine Nacht in dieser Wohnung aufhalten.«
»Also, wenn es euch nicht recht ist …«, fing ich an.
»Nein, ist schon o.k.«, unterbrach mich Hartmann.
»Kannst du kochen?«
Ich bejahte.
»Wie lange brauchst du im Bad?« fragte Nicki.
»Kürzer als die meisten Frauen, nehme ich an. Zum Beispiel viel kürzer als meine Tochter.«
»Wie alt ist deine Tochter?« fragte Nicki neugierig.
»Fünfzehn«, sagte ich, »aber derzeit ist sie vergeben.«
»Macht nichts, hat ja Zeit« , grinste Nicki. Seit er die Strafstunden bei seinem Alten abgeleistet hatte, war er wieder obenauf.
»Sonst irgendwelche unangenehmen Hobbys, geheime Leidenschaften oder schlechte Eigenschaften?«
Die drei sahen mich prüfend an.
»Ich … ich glaube nicht«, stotterte ich verlegen. Das war ja wie bei der Gesinnungsprüfung für Beamtenanwärter!
»Also dann, wieso nicht?« sagte Hartmann und streckte mir die Hand hin. »Willkommen in der Chaos-Community. Wohnst du mit bei Rilke im Zimmer?«
»Nein«, sagte ich schnell, »ich würde mir gerne das vordere Zimmer herrichten, wenn ihr nichts dagegen habt.«
Auch hier gab es nämlich eine Rumpelkammer, und da es in der übrigen Wohnung nicht viel besser
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