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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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muß herausfinden, ob ich ihn wirklich so liebhabe, wie ich im Moment glaube. Und das kann ich nur, wenn ich bei ihm wohne.«
    »Also, ich rufe dich dann wieder auf dem Handy an«, verkündete Jonas, wie um sich selbst zu trösten.
    »Du hast ein Handy?« fragte Lucy überrascht. Ich nickte.
    »Also, dann will ich endlich auch ein Quix oder ein Skyper, alle in der Schule haben schon eins.«
    »Ein was?«
    »So eine Nachrichtenbox, wo man sich gegenseitig Grüße und Telefonnummern schicken kann.«
    Wenn das ihr größtes Problem war, dann war es ja gut.
    Offensichtlich hatte meine Mitteilung sie nicht besonders getroffen.
    »Seid ihr gar nicht sauer?« fragte ich verwundert.
    Lucy und Jonas wechselten einen Blick, als wollten sie sich vergewissern, was der andere dachte.
    »Also, sauer bin ich nicht«, erklärte Jonas, »ich find’s bloß komisch, daß immer nur einer von euch zu Hause ist.
    Entweder du oder Papa oder Omi. Ich mag am liebsten alle zusammen.«
    »Und du, Lucy?«
    »Ich kann’s doch eh nicht ändern, wenn ihr Erwachsenen spinnt.«
    Sie hielt den Blick gesenkt und zeichnete mit ihrer Gabel Striche aufs Tischtuch.

    Innerhalb weniger Tage war die Rumpelkammer in der WG leergeräumt und frisch gestrichen. Natürlich mit Kalkfarbe, wie Nicki sich ausbedungen hatte. Ich stellte nur wenige Möbel rein, damit Rilke keinen Schreck bekäme. Er verstand meine Anwesenheit als Provisorium, und so sollte es auch aussehen. Als er mir die beiden Wohnungsschlüssel überreichte, war ich fast so ergriffen, als hätte er mir einen Verlobungsring angesteckt.
    Ich sah mich in meinem neuen Zuhause um. Die hohe Zimmerdecke war ungewohnt; die Räume unseres Hauses waren viel niedriger. Wenn ich auf meinem Klappbett lag und nach oben sah, kam es mir vor, als könnten die Gedanken weiter schweifen, weil sie mehr Platz hatten.
    Die Frage war nun, wie ich an Geld kommen sollte.
    Friedrich überwies kein Haushaltsgeld mehr auf unser gemeinsames Konto, weil ja er jetzt den Haushalt führte.
    Zunächst hoffte ich, daß noch ein kleines Polster drauf wäre, beim Blick auf die Kontoauszüge stellte ich aber fest, daß er über viertausend Mark an Doro überwiesen hatte. Jetzt war das Konto bis auf ein paar Mark leer.
    Ersparnisse hatte ich keine, mein väterliches Erbteil hatte Queen Mum einkassiert. In einem Augenblick geistiger Umnachtung hatte ich ihr eine Vollmacht erteilt, weil sie mir eingeredet hatte, ich müßte das Geld vor Friedrichs Zugriff schützen.
    Ich wälzte die Stellenangebote. Keine Chance. Mit fast vierzig und einer abgebrochenen Banklehre konnte ich nicht mal mehr Barfrau werden, von qualifizierteren Tätigkeiten ganz abgesehen.
    Mutlos ließ ich meinen Blick über die Bleiwüste mit Angeboten wandern, die alle an Menschen gerichtet waren, die mehr aus ihren Möglichkeiten gemacht hatten als ich.
    Und dann stieß ich doch auf einen Text, der interessant klang: »Selbständige Tätigkeit, auch für Ungelernte.
    Freie Zeiteinteilung möglich, Voraussetzungen: Freundliches, selbstbewußtes Auftreten, Engagement und Freude an der Sache. Monatlicher Verdienst bis DM 10.000, möglich.«
    Freundlich war ich, Selbstbewußtsein konnte ich spielen, und die Freude an der Sache würde sich bei zehntausend Mark monatlich von selbst einstellen.
    Ich wählte die angegebene Telefonnummer. Eine Frau meldete sich und begrüßte mich so überschwenglich, als wäre ich eine alte Freundin.
    »Wie schön, daß unsere kleine Anzeige Sie angesprochen hat. Sie werden sehen, Frau Schrader, dieser Anruf wird Ihr Leben verändern. Am besten, wir machen gleich einen Termin aus und lernen uns persönlich kennen! Wie wäre es morgen früh um acht?«
    Ich schluckte. Wenn ich schon arbeitslos war, wollte ich wenigstens morgens ausschlafen.
    »Geht auch zehn?« fragte ich mutig.
    »Aber ja, selbstverständlich! Freie Zeiteinteilung ist einer der großen Vorteile unserer Tätigkeit.«
    »Um was handelt es sich denn?« forschte ich nach.
    Die Stimme lachte perlend.
    »Das erzähle ich Ihnen alles morgen. Bis dahin, Frau Schrader, ich freue mich auf Sie!«
    Ich schrieb mir die Adresse auf. Tulpenweg, das war ja ganz in der Nähe unseres Hauses. Es war auch eine dieser Straßen mit schmucken Vorgärten und Reihenhäusern, die sich nur durch die Farbe ihrer Fensterläden und die mehr oder weniger verzierten Haustüren voneinander unterschieden. Leute mit wenig Geld hatten die Standardtür mit einfachem Drehgriff und diagonal eingesetzter

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