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Am Anfang war der Seitensprung

Am Anfang war der Seitensprung

Titel: Am Anfang war der Seitensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelie Fried
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aussah, konnte man die dort gelagerten Gegenstände problemlos verteilen, ohne daß es auffallen würde.
    »Falls du streichen solltest, bitte nur Kalkfarbe, ich bin allergisch«, bat Nicki.
    Ich nickte und lächelte Rilke an, der abwesend in seinem Kaffee rührte.

Sechzehn
     
    »Hier CALL YOUR BANK, mein Name ist Annabelle Schrader, was kann ich für Sie tun?« rasselte ich herunter und nahm gelangweilt die Daten für einen Dauerauftrag und zwei Überweisungen entgegen.
    Noch immer saß ich jeden Vormittag in der Bank, obwohl es mich anödete. Aber ich brauchte dringend das Geld. Das Leben mit Rilke war bedeutend kostspieliger als mein Hausfrauendasein. Also saß ich die Stunden am Telefon ab und machte Dienst nach Vorschrift.
    Kurz vor Arbeitsende kam eine Kollegin aus der Personalabteilung an meinen Tisch.
    »Sie sollen zu Hübner kommen«, richtete sie mir ohne weitere Erklärung aus.
    Ich packte meine Sachen zusammen und fuhr mit dem Lift nach oben. Hübner war ein öliger Mensch mit einem laschen Händedruck und breiten, schrecklich gemusterten Krawatten. Er gehörte zu den Aufsteigern in der Bank, die vor lauter Anpassung schon runde Schultern hatten.
    Keiner von uns konnte ihn leiden, aber er hatte einen unbestreitbaren Platzvorteil: Er war der Chef.
    »Bitte setzen Sie sich doch, Frau Schrader«, säuselte er und rückte mir einen Stuhl zurecht. »Wie geht es Ihnen?
    Haben Sie zur Zeit irgendwelche persönlichen Schwierigkeiten, gibt es gesundheitliche Probleme?«
    Überrascht verneinte ich. Wie kam der dazu, mich so was zu fragen? Als hätte er mir angesehen, was ich dachte, fuhr er fort.
    »Ich frage, weil allgemein aufgefallen ist, daß Ihre Leistungen nicht mehr so sind wie früher. Sie waren immer eine unserer motiviertesten Mitarbeiterinnen im Telefon-Bank-Bereich, deshalb haben wir uns ja kürzlich auch mit einem exklusiven Erholungs-Wochenende erkenntlich gezeigt, nicht wahr? Aber es hat … ich möchte nicht sagen Beschwerden, aber doch Hinweise gegeben.«
    »Was für Hinweise?« fragte ich verständnislos.
    »Nun, einige Kunden haben sich enttäuscht gezeigt über ihren wenig verbindlichen Ton. Und im Kollegenkreis hat man sich auch schon gefragt.«
    »Wissen Sie was«, sagte ich und stand abrupt auf, »ich habe sowieso keine Lust mehr. Geben Sie meinen Job doch einfach einer anderen frustrierten Mutti, ich brauche ihn nicht mehr.«
    Damit verließ ich das Büro.
    Unten stieß ich mit Sabine zusammen, die zwei Tage vorher braungebrannt aus dem Urlaub zurückgekommen war.
    »Wo kommst du denn her?« fragte sie, als ich aus dem Lift stieg. Ich machte mit dem Kopf eine Bewegung nach oben.
    »Vom Chef. Ich habe gekündigt.«
    »Du hast gekündigt? Aber wieso denn?«
    Ich überlegte kurz. »Weil ich seine gräßlichen Krawatten einfach nicht mehr sehen kann.«
    Wir lachten.
    »Komm, ich lade dich zum Mittagessen ein«, schlug Sabine vor.
    »Nein, ich lade dich zum Mittagessen ein«, verbesserte ich und fühlte mich plötzlich wie befreit.

    Kurz vor meinem Umzug befielen mich die schlimmsten Zweifel. Ich mußte verrückt geworden sein, wie konnte ich nur meine vertraute Umgebung und meine Familie verlassen. Andererseits zog es mich so sehr zu Rilke, daß ich keinen anderen Weg sah. Ich wußte nicht, ob ich in mein Glück oder in mein Unglück rannte; ich wußte nur, daß ich es tun mußte.
    Am meisten hatte ich mich davor gefürchtet, Jonas und Lucy meinen Entschluß mitzuteilen. Einige Tage, bevor Friedrich zurückkommen sollte, hatte ich sie ins Auto geladen und war mit ihnen in eine Pizzeria gefahren.
    Genüßlich hatten sich beide mit Pizza, Pasta und Eis vollgestopft und jede Menge Cola dazu getrunken. Ich selbst kaute lustlos an einem Schnitzel, mein Magen war wie verknotet, und ich brachte kaum einen Bissen herunter.
    »Hört mal, ihr zwei, ich muß was mit euch besprechen.«
    Zwei Köpfe hoben sich gleichzeitig vom Teller, zwei Augenpaare sahen mich erwartungsvoll an.
    »Papa kommt wieder heim.«
    »Echt?« Lucy schien nicht besonders begeistert. Sie war Friedrich gegenüber in den letzten Wochen sehr distanziert gewesen und wollte ihn selten sehen. Jonas dagegen hatte ihn vermißt. Er freute sich.
    »Aber das ist noch nicht alles«, fuhr ich fort und merkte, wie mir heiß wurde. »Ich werde für eine Weile zu Rilke ziehen.«
    Die beiden sahen mich groß an.
    »Zu dem Schornsteinfeger?«
    Ich nickte.
    »Wieso willst du denn bei dem wohnen, du kannst ihn doch besuchen?« sagte Jonas.
    »Ich

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