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Am Anfang war die Mail

Am Anfang war die Mail

Titel: Am Anfang war die Mail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Nasir
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Erscheinungsbild ihrer Herrin. Sie zahlt ihr nun heim, was ihr selbst angetan wurde, auch wenn Ruby keine direkten Erinnerungen inne trägt, nur instinktiv handelt.
    Doch ist noch nicht der Wille Jackies gebrochen. Ein weiteres Mal rappelt sie sich auf, und Lehm gräbt sich tief unter ihre Fingernägel, als sie versucht, den Rand des Lochs zu erklimmen. Scarlett erkennt das Vorhaben als Erste und reagiert. Mit ihren Sohlen tritt sie auf die Kuppen der Finger und genießt den aufkeimenden Schrei Jackies. Wie oft hat Scarlett ebenfalls so geschrien? Wie oft musste sie unter der Herrin leiden? Dies ist nun vorbei.
    »Ihr seid alle des Todes!« Die spitzen Flüche Jackies verhallen in den Wipfeln der Bäume und erreichen keine Menschenseele.
    Haben diese Kreaturen noch eine Seele? Leer und ohne klaren Gedanken, nur auf konturlose Rache aus, schlurfen sie über den kleinen Friedhof im Wald. Ohne erkennbare Struktur, ohne einen Anführer, ohne jegliche Kommunikation. Aus den Tiefen ihres Inneren gräbt sich nun der Hass und krallt sich in den Köpfen der Puppen fest. Die Besessenheit nach Genugtuung. Sie wollen Jackie leiden sehen. Wollen ihre Herrin dem Erdboden gleichmachen. Es soll endlich ein Ende haben.
    Scarlett schnappt erregt nach Luft, als Jackie rücklings wieder zu Boden fällt, und umrundet gemächlich weiterhin im Kreis der Meute das auserwählte Grab Jackies. Immer mehr der Puppen gesellen sich hinzu. Die blassen Gesichter der erbarmungslosen Wesen zeigen kaum eine Regung. Weitere Kreaturen kommen hinzu. Es werden mehr und mehr. Alles Sklaven von Jackie. Nichts als ein leises Murmeln ist zu hören.
    Dann erscheint er . Jackie hat auf ihn gewartet. Er ist ihre letzte Hoffnung. Zarte Freude über sein Erscheinen zeichnet sich auf ihren Lippen ab. Er ist immer die geballte Faust, ihr Peitschenhieb, ihre Klinge und das Grauen ihrer Gefolgschaft gewesen. Nun schaut er auf sie hinab. Sie erwartet, dass er handelt – wie er es immer für seine Herrin getan hat. Doch wirft er ihr lediglich das Kleid entgegen, dass sie noch im Theater getragen hat. Reglos. Machtlos. Zeigt kein Anzeichen von Reue. Es soll ihr Leichentuch sein. Auch der Puppenbauer ordnet sich in die Reihen des Gesindels ein, das das Ende der Herrin sucht.
    »Puppenbauer!« Jackie realisiert, dass er nicht mehr ihre Marionette ist, wagt jedoch einen letzten Versuch, ihm einen Befehl zu erteilen. »Puppenbauer! So wehre er sich! Schlage sie nieder! Sie haben es nicht besser verdient. Puppenbauer, deine Herrin spricht hier!«
    Aber er ist es, der im nächsten Moment den ersten Brocken der herumliegenden Erde auf sie niedergehen lässt. Der Puppenbauer beginnt, und die Puppen, die Resultate seiner Gewalt, folgen ihm. Auf die Gesichter von Ruby und Scarlett legt sich ein bescheidenes Lächeln, welches gleichermaßen in Jackies Gesicht erlischt. Die Lieblingspuppen wähnen sich am Ziel angelangt. Die Herrin wird nun tief im Wald begraben. Für immer.
    Immer mehr Lehm, Geäst, Steine und Erde fällt auf Jackie herab. Sie hält sich das Kleid des Puppenbauers vor das Gesicht, kann sich jedoch nicht erwehren. Unter dem wachsenden Gewicht des Materials ersterben ihre hastigen Bewegungen. Erde fällt von allen Seiten in das Loch. Das Murmeln wird leiser, je weiter sich die mühevoll geschlagene Schneise füllt.

    Bis schließlich vollkommene Stille herrscht.
     

 
    Leseprobe "Das dunkle Zimmer" von Bernd Kissero

    Kategorie: Thriller | 
285 Seiten | als Taschenbuch:  10,90 € | als E-Book: 5,99 € |  ISBN 978-3-942277-52-5

    TEIL 1 - DAS GEHEIME KIND

    KAPITEL 1  

    Paul Keller blickte durch die Frontscheibe des Wagens auf die flimmernde Luft über der Motorhaube. Er seufzte. Der glutrote Griff des Sommers hielt die Hauptstadt schon seit Tagen umklammert, und jeden weiteren Tag fielen mehr Menschen der Hitze zum Opfer. Sogar die Wolkendecke, die sich am Vorabend wie eine schiefergraue Kuppel über Berlin gespannt und kühlenden Regen versprochen hatte, war verflogen, ohne dass ein einziger Tropfen gefallen war. Anstelle angenehmer warmer Sommerluft waberte nur zäher, staubiger Dunst durch die erstaunlich leeren Straßen. Wer konnte, zog sich in klimatisierte Räume zurück, die zumindest die Illusion einer Abkühlung versprachen.
    Sein Blick fiel auf den kleinen Thermostat zwischen den fauchenden Lüftungsschlitzen der Klimaanlage. Eine hellorange leuchtende Achtunddreißig starrte zurück. Schnaufend stieß Keller die Luft durch die Nase. Es reichte

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