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Am Anfang war die Nacht Musik

Am Anfang war die Nacht Musik

Titel: Am Anfang war die Nacht Musik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alissa Walser
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bewegen. Fühle sich eingepfercht, könne nicht durchatmen. Wie soll sie singen, ohne durchzuatmen. Sie sagte, was ihr einfiel. Das genügte nicht. Bis ihr einfiel, dass vielleicht genau das ein Problem war. Das Jetzt. Dieser Moment. Und dass sie immer nur aus dem Moment heraus sprach, und wie sie das Problem in diesem Moment empfand. Und kaum war der Moment vorbei, folgte ein nächster, in dem sie etwas empfand. Und wenn sie es aussprach, war es vorbei, verwehte, ohne zu greifen, mit der das Haus durchströmenden Zugluft.
    Es fehlt ein System, dachte sie, das alles dicht macht. Ein Mensch, der dran festhält? Ihre Freundinnen fehlten ihr.
    Was sie sagte, war haltlos. Ohne Hand, ohne Fuß. So wacklig, dass die Eltern es mühelos kippen und drauf herum stampfen konnten.
    Was für ein dummer Einfall, sagte die Mutter. Wie sie denn auf so etwas komme. Sie habe doch bisher immer so schön gesungen.
    Was eigentlich mit ihr los sei?
    Der Vater klang, als weigere er sich, sie überhaupt noch ernst zu nehmen.
    Nichts, sagte sie.
    Sie war nicht sicher, ob das die richtige Antwort war. Denn sie hinterließ eine gähnende Stille. In die hinein Maria, damit sie sich nicht noch ausweite, sagte, Ich will aber nicht traurig sein. Stille.
    Dann ein rettender Einfall: Gehen wir spazieren. Im Garten. So ein schöner Tag, so eine schöne Luft draußen.
    Die Mutter war sofort begeistert. Der Vater wehrte ab. Den Garten, die Kälte, die Nässe und den matschigen Boden. Den Schmutz und die Mutter, die sich Marias Vorschlag sofort zu eigen gemacht hatte.
    Er nannte den Vorschlag einen Verzweiflungseinfall und schrieb ihn ihren Allüren zu. Die sollten sich statt im Garten am Klavier austoben. Da seien sie am ehesten zu tolerieren. In Nützliches zu transferieren. Unter Umständen. Liebe Resi.
    Sie hatte genickt. Bloß kein Misstrauen erwecken, keinen Verdacht.
    Ob sie fleißig geübt habe.
    Jeden Tag.
    Das sei die Rettung, sagte er. Sie müsse Zeit zu Gold spinnen.
    Die Zeit vergeht. Aber was man kann, kann man. Und keiner kann es einem mehr nehmen.
    Ach, hätte er nur recht, in allem, was er sagt.
    Es gäbe genug andere, sagte er, die gut sind. Die kleine Martinez habe letzte Woche bei der Kaiserin vorgespielt.
    Und?, fragte Maria.
    Ja, sagte er. Die drei Ts könne man ihr nicht absprechen. Temperament, Technik und Talent. Du aber, fügte er leise hinzu, du hast mindestens vier. Denn du heißt Theresia. Du bist besser. Wenn du nur willst.
    Gott sei Dank hatte die Mutter auf einer Verbindung von Frühling und Luft bestanden. Und auch der Doktor, als er endlich zu sprechen anfing, empfahl als Erstes den Garten. Recht hatten sie, alle beide.
    Warm einpacken, hieß es, und raus in die Sonne.
    Danach werde er ihr die Augenbinde abnehmen, versprach Mesmer.
    Wahrscheinlich dachte er, dieser Tag wäre gerettet. Sobald er den Eltern Marias Augen vorführte. Wie schnell er auf einmal mit dem Vater redete. Er wiegelte ab. Ohne dass der Vater es merkte. Dazu war der viel zu weit weg. Irgendwo, weiß Gott, in seiner k.u.k.-Welt. Aus Konzerten, Kanzleien, Kämmerern, Kirche, Kaunitz und Kaiserin.
    Dann plötzlich hatte er sich vor Maria aufgestellt, als wolle er ihr den Weg ins Freie versperren.
    Er hob die Hand, sagte, Halt. Er wolle ihre Augen jetzt sehen. Jetzt sofort. Sonst käme er nicht mit in den Garten.
    Sie hatte abgewehrt. Das müsse der Doktor entscheiden.
    Und der Doktor entschied. Und gab nach. Nahm ihr die Augenbinde ab.
    Nein! Nein, ich glaub’s nicht, hörte sie den Vater. Resi! Augen wie …
    Er war um sie herumgelaufen.
    Sag doch auch was, fuhr er die Mutter an.
    Sie gehorchte. Augen … wie die Herzen von Täubchen …
    Was für ein Vergleich, hatte er gelacht.
    … in den Federn verborgen …
    Hat man so was Schiefes schon gehört?
    Das sind Augen, stolz … wie Kastanien … in ihrem stachligen Bett … nein, eben nicht … Augen wie … im Regen versunkene Schiffe.
    Ja, das gefiel ihm.
    Wie fühlen sie sich an, Resi?
    Gut, hatte sie gesagt, und wieder gelächelt, während Mesmer die Schiffe mit der gewohnten Dunkelheit bedeckte.
    Reibungslos.

    Sie war morgens schon im Garten gewesen. In aller Frühe. Seit die Amseln das Frühjahr besingen, zieht es sie fast täglich in den frühen Morgen hinaus. Heimlich. Dass sie fror, war Nebensache. Ihre Gänsehaut kam nicht von der kalten Luft.
    Eher von der Hauptsache: den in die kalte Luft aufsteigenden Amselstimmen. Sie konnte davon nicht genug bekommen. Wollte zuhören aus nächster

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