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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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auch und finden sich mit den Dingen ab, wie sie sind?»
    «Weil ich ein Rabbi bin», sagte er und fügte dann mit deutlicher Herablassung hinzu: «Und kein Lehrer.»
    Hendryx lachte schallend über diese Herausforderung. «Aber Rabbi, ich dachte, gerade das wäre ein Rabbi. Ist das denn nicht die Bedeutung des Wortes – Lehrer?»
    «So ist es nicht gemeint. Ein Rabbi ist ein Kundiger des Rechts, das unser Leben bestimmen soll. Seine größte, überlieferte Aufgabe ist zu richten, aber gelegentlich erläutert er auch das Recht zum Nutzen seiner Gemeinde. Die Art Lehrer, an die Sie denken, die die Jungen und Unreifen zum Lernen antreibt, die Lehrer der Kinder – das ist etwas ganz anderes. So einen nennen wir einen melamed , und das Wort hat eine abfällige Bedeutung.»
    «Abfällig?»
    «Ja, das stimmt. Sehen Sie, da die Juden praktisch seit Jahrhunderten zu hundert Prozent des Lesens und Schreibens kundig waren», der Rabbi sagte es mit Wohlgefallen, «könnte jeder unterrichten. Aber bei etwas, das jeder andere auch kann, ist das gesellschaftliche Ansehen oder der finanzielle Nutzen nicht sehr groß. Daher war der melamed üblicherweise jemand, der bei allem versagt hatte und endlich auf das Unterrichten der kleinen Kinder zurückgreifen musste, um existieren zu können.»
    «Und Sie meinen, wenn Sie es Ihren Studenten leicht machen, werden Sie zu einem melamed ?», fragte Hendryx nun plötzlich viel interessierter. «Ist es das?»
    «Oh, ich denke viel weniger an meine Stellung als an ihre Haltung. Wir Juden erwarten, dass ein Kind spielerisch ans Lernen herangebracht wird. Darum geben wir einem, das in die Schule kommt, Kuchen und Honig, damit es das Lernen mit etwas Süßem, Wünschenswertem in Verbindung bringt. Aber ich finde nicht, dass ich dieses Verfahren bei Erwachsenen fortsetzen sollte. Natürlich wollen nicht alle Erwachsenen Gelehrte werden, aber die, die das wollen und aufs College gehen, sollten sich wie Erwachsene auf den Unterricht einstellen. Ich muss sie doch nicht locken und verführen, damit sie lernen.»
    «Das müssen Sie nicht», sagte Hendryx. «Und wir anderen tun das auch nicht. Wir unterrichten. Die, die kommen wollen, kommen, und die, die nicht wollen, bleiben fort.»
    «Und die, die fortbleiben, schaffen ihre Examen?»
    «Ja, natürlich –»
    «Aber das ist dann Betrug!»
    «Jetzt kann ich Ihnen leider nicht folgen, Rabbi.»
    «Lassen Sie es mich so erklären», sagte David Small, der nach einem Vergleich suchte. «Nach der Tradition wird man ein Rabbi, indem man sich bei einem Rabbi zur Prüfung meldet. Wenn man bei ihm das Examen besteht, gibt er einem ein smicha , ein Siegel der Ordination, der Einsetzung. Natürlich sind einige Rabbiner strenger und genauer bei ihren Prüfungen als andere, weil sie selber tiefschürfender denken und mehr wissen. Aber ich glaube doch, dass sie alle ehrlich in ihrer Entscheidung sind, denn dadurch, dass sie den Kandidaten zum Rabbi machen, erklären sie ihn für fähig, überall in der jüdischen Welt Recht zu sprechen.
    Nun hat aber auch der am College erworbene Grad überall auf der Welt Geltung und Bedeutung; und die Macht, ihn zu erteilen, ist dem College vom Staat übertragen worden. Das System des College verlangt, dass der Kandidat Punkte für sein Abschlussexamen sammelt, indem er an den Kursen mehrerer Lehrer teilnimmt und sie zu ihrer Zufriedenheit abschließt. Ich werde dafür bezahlt, dass ich einen kleinen Teil des Gesamtwissens weitergebe. Wenn ich also meine Arbeit nicht gründlich verrichte, handle ich unehrlich. Ich betrüge.»
    «Wen betrügen Sie?»
    «Jeden, der annimmt, der Grad sei eine Garantie dafür, dass eine gewisse Menge an Wissen erfolgreich erworben worden ist.»
    «Heißt das, dass Sie Studenten durchfallen lassen wollen, die die Vorlesung am Freitag schwänzen?»
    «Die, die keine Arbeiten mitschreiben oder sie verhauen.»
    «Sehr interessant. Sehr interessant», sagte Hendryx. «In Kürze sollen wir dem Büro des Dean die Namen aller Studenten angeben, die bis zur Mitte des Semesters den Ansprüchen nicht genügen. Haben Sie vor, eine derartige Liste einzureichen?»
    «Wenn das der Brauch ist, werde ich es selbstverständlich tun. Sie etwa nicht?»
    «Na ja, in den letzten Jahren hab ich es langsam angehen lassen. Um genau zu sein: Im letzten Jahr habe ich keinen einzigen meiner Studenten durchfallen lassen. Aber ich nehme an, dass Sie das vorhaben.»
    «Wenn sie die Prüfungen nicht bestehen, muss ich doch ‹nicht

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