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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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nur kommissarischer Leiter?»
    Präsident Macomber legte die Zeitung aus der Hand und sah zu seiner Tochter auf. Sie war groß und blond. «Meine Wikingerprinzessin», hatte er sie manchmal als kleines Mädchen genannt. Obwohl ihr Gesicht Spuren der Reife zeigte, war es faltenlos und immer noch schön. «Das ist Vorschrift», begann er, «der Leiter einer Abteilung muss ein gewisses Dienstalter haben, mindestens aber drei Jahre an der Abteilung gewesen sein. Hendryx ist noch nicht so lange bei uns. Er kann daher nur kommissarischer Leiter sein.»
    «Aber früher sind die Leute auch Leiter der Abteilung geworden, ohne sich den Posten ersessen zu haben», beharrte sie. «Du hast mir selbst erzählt, dass Professor Malkowitz mit dem Tag seines Dienstantritts Leiter der mathematischen Abteilung geworden ist.»
    «Malkowitz war ein Sonderfall. Er wäre sonst nie nach Windemere gekommen, und wir wollten ihn unbedingt haben. Die Kuratoren haben abgestimmt und ihm eine Garantie gegeben.»
    Sie stellte die Brotschale und die Salatschüssel ab und setzte sich vor ihn auf das Fußkissen. «Und warum kannst du das bei Professor Hendryx nicht auch so machen?»
    Er lehnte sich im Sessel zurück und lächelte. «Professor Malkowitz ist weithin bekannt. Er ist ein bedeutender Wissenschaftler.»
    «Und an den Fähigkeiten von Professor Hendryx zweifelst du?»
    An dem kriegerischen Tonfall ihrer Stimme war nicht zu zweifeln. Er wollte durch eine oberflächliche Antwort ausweichen. «Etwas spricht auf jeden Fall für ihn: Er weiß, wie man weibliche Hilfskräfte anwirbt. Monatelang hat mich Millicent Hanbury seinetwegen unter Druck gesetzt, und jetzt kommst du. Bei ihr kann ich es verstehen. Sie sind alte Freunde oder kommen wenigstens aus derselben Stadt. Aber du! Ich wusste nicht mal, dass du ihn kennst.»
    «Ich hab ihn am Tag meiner Rückkehr kennen gelernt. Er war bei den Sorensons eingeladen.»
    «Ach?»
    «Und seither habe ich ihn ziemlich oft gesehen», fügte sie beiläufig hinzu.
    Aber er fiel nicht darauf herein. «Hat er sich über die Behandlung hier beklagt?»
    «Nein, das nicht», sagte sie. «Aber als ich von ihm als dem Leiter der englischen Abteilung gesprochen habe, hat er mich sofort korrigiert und erklärt, er wäre nur kommissarischer Leiter.» Sie hielt inne. «Wenn du etwas weißt, was gegen ihn spricht, Vater, würde ich es gern hören.»
    Als ihm klar wurde, dass ihr Interesse nichts mit unpersönlicher Teilnahme an Collegedingen zu tun hatte, wurde er vorsichtig. «Er hat gute Examen. Ich glaube, er war in Harvard. Meines Wissens hat er auch einiges veröffentlicht. Aber wenn man mal ein so alter Hase ist wie ich, dann entwickelt man bei der Anstellung von Lehrkräften Instinkte. In den letzten zehn Jahren, ehe er zu uns gekommen ist, war er an drei verschiedenen Colleges. Und warum sollte er überhaupt zu uns kommen? Wir sind ein kleines und nicht sehr bekanntes College. Mit seinen Fähigkeiten müsste er leicht eine Stellung an einem berühmten College gefunden haben.»
    «Dein großartiger Malkowitz ist auch gekommen.»
    «Ja, hinter dem sind wir hergerannt und haben verlockende Angebote gemacht. Professor Hendryx hat sich mitten im Jahr bei uns beworben.»
    «Vielleicht zieht er kleine Colleges vor. Das tun viele Männer.»
    Er nickte. «Aber seine letzte Stellung war an einem kleinen College – Jeremiah Logan College in Tennessee, soweit ich weiß. Warum ist er nicht dort geblieben?»
    «Vermutlich, weil es in Tennessee war. Jeder Neu-Engländer muss sich in einer kleinen Südstaaten-Stadt wie ein Fisch auf dem Trockenen vorkommen.»
    «Das ist richtig», gab er zu, «und das hatte ich auch geglaubt, bis ich zufällig den Direktor von Jeremiah Logan beim Kongress der College-Präsidenten im vorigen Jahr kennen gelernt habe. Ich habe Hendryx erwähnt. Du weißt ja, heutzutage muss ein Verwaltungsmann, wie praktisch jeder Arbeitgeber, sehr vorsichtig sein mit dem, was er über einen früheren Angestellten sagt. Man setzt sich einer Klage aus, wenn man etwas erzählt, was man zwar haargenau weiß, aber nicht beweisen kann. Nun, dieser Mann von Jeremiah Logan war noch vorsichtiger als die meisten, aber immerhin habe ich seinen Worten entnommen, dass Hendryx an seinem College Ärger gehabt hat – es ging um eine seiner Studentinnen.»
    «Das weiß ich alles», sagte sie gelassen. «Es war ein billiges kleines Flittchen; sie wurde bei Sigma Chi, aber auch bei allen anderen Studentenverbindungen, von einem

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