Am Dienstag sah der Rabbi rot
mehr sagen würdest.»
«Ja, das verstehe ich.»
«David, geh den Jungen besuchen.»
«Um ihm was zu sagen?»
Sie lächelte. «Du könntest ihm doch vielleicht sagen, er möge versuchen, seinem Vater zu verzeihen.»
21
«Die Bostoner Polizei hat uns gebeten, den jungen Selzer festzunehmen, also haben wir ihn festgenommen.» Chef Lanigan saß zu Hause am Esstisch und hatte die Sonntagszeitungen vor sich ausgebreitet.
«Haben die denn stichhaltige Beweise gegen ihn?», fragte der Rabbi.
Lanigan zuckte die Achseln. «Sie wissen doch, wie so was funktioniert. Der District Attorney prüft, was sie haben, und er gibt die Anordnungen. Mir würde er es jedenfalls nicht erzählen. Nicht mal der D. A. meiner eigenen County würde mich notwendigerweise bei etwas ins Vertrauen ziehen, was hier in meinem Bezirk geschehen ist. Aber nach dem, was Schroeder sagte, genügt das, was sie über ihn haben. Er war einer der Gruppe, die sich mit Dean Hanbury getroffen hat. Sie haben eine Zeit lang geredet, dann ist einer von ihnen ausfallend geworden, und Dean Hanbury hat das Zimmer verlassen. Sie warteten, dass sie wiederkäme, als sie aber nicht kam, sind sie auch gegangen. Ein paar Minuten danach geht in ihrem Büro die Bombe hoch. Na bitte, das reicht ja wohl als Begründung eines Verdachts. Fügen Sie dem noch ein paar kleine Punkte hinzu: Erstens, im Frühjahr hat es schon einen Bombenanschlag im College gegeben; zweitens, ein Mitglied ihrer Gruppe, einer namens Ekko – weiß nicht, ob das sein richtiger Name oder ein Spitzname ist – haut ab. Das lässt ja wohl auf Schuld schließen.»
«Andererseits», stellte der Rabbi fest, «ist nichts davon ein wirklich stichhaltiger Beweis. Das Gebäude ist offen, jeder kann hereinkommen. Dean Hanbury hat ihr Büro nicht abgeschlossen, es hätte also jeder reingehen können, nachdem die Studentendelegation fort war. Nach dem wenigen, was ich über das College weiß, gibt es andere Studentengruppen – mehr oder weniger revolutionär –, die untereinander ebenso verfeindet sind wie mit der Verwaltung.»
«Mich brauchen Sie nicht zu überzeugen, Rabbi. Sie müssen die Einwohner von Suffolk County überzeugen.»
«Ist es Ihnen recht, wenn ich jetzt zu dem Jungen gehe?»
«Sicher. Ich ziehe mir eben Schuhe an, dann fahre ich Sie zum Revier. Wenn Sie wollen, können Sie ihn in meinem Büro sprechen.»
Der junge Mann war sichtlich überrascht, als er den Rabbi erblickte. «Ach, Sie», sagte er, «ich dachte, es wäre wieder dieser Anwalt.» Er ging einmal durch das Zimmer und sah aus dem Fenster. Dann machte er kehrt. «Diese Cops! Nicht mal wie Menschen können sie sich benehmen. Glauben Sie, die machen sich die Mühe, mir zu sagen, wer da ist? Nein, der Kerl sagt nur, jemand will mich im Büro des Chefs sprechen. Und wenn ich sage, ich hab dazu keine Lust – weil ich denke, es wär der Anwalt oder mein Alter – sagt er: ‹Ein bisschen dalli, Großmaul›, und schleift mich praktisch hier rauf.»
«Wahrscheinlich hat er auch nicht gewusst, wer es war», sagte der Rabbi milde.
«Rabbi, Sie kennen diese Typen nicht. Da fehlt Ihnen die Erfahrung.»
«Das mag stimmen», gab er friedfertig zu. «Und aus welchem Grund wollen Sie nun nicht mit Ihrem Anwalt reden?»
Abner Selzer spreizte die Hände und ließ die Schultern verzweifelt hängen. «Goodman! Der hat mich gar nichts gefragt. Er hat gesagt, wenn ich dran dächte, eine Rede zu halten, sollte ich es bleiben lassen. Ich käme vor Richter Visconte, und der wäre hart. Der hielte sich an den Buchstaben des Gesetzes. Wenn der Richter was fragt, sagt er zu mir, muss ich aufstehen und ihn mit ‹Euer Ehren› ansprechen. Sonst soll ich still sein und nicht mit den anderen flüstern. Gerade sitzen, geradeaus sehen, genau auf den Richter, und ein interessiertes Gesicht machen. Plant man so eine Verteidigung? Dann sieht er mich an und sagt, ich soll mich anständig rasieren und einen Anzug anziehen, wenn ich morgen vor Gericht komme. Rabbi, wie soll ich denn mit so einem Mann sprechen? Schließlich habe ich vorgeschlagen, ich könnte vielleicht einen Kilt tragen, die Beine übereinander schlagen und den Geschworenen meine Geschlechtsteile vorführen.»
Der Rabbi lachte, und der junge Mann grinste. «Was hat er dazu gesagt?»
«Er war sauer und hat nur noch erklärt, er würde mich in Boston vor Gericht Wiedersehen.»
«Ich glaube nicht, dass das viel ausmacht», sagte der Rabbi. «Diese Vorführung vor den Richter ist eine
Weitere Kostenlose Bücher