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Am Dienstag sah der Rabbi rot

Am Dienstag sah der Rabbi rot

Titel: Am Dienstag sah der Rabbi rot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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machen? Professor Holmes, Professor Dillon und Miss Barton. Oder ist es Professor Barton oder Dr. Barton, Mary?»
    «Im nächsten Semester hoffentlich Dr. Barton», sagte sie vergnügt, «und dann auch bald Professor Barton, wenigstens sagt das Dean Millie. Aber vorläufig bleibt es bei Miss Barton.» Sie hatte ein freundliches, nettes Gesicht.
    «Sie haben sich mit Hendryx das Büro geteilt, nicht?», fragte Professor Holmes. Zu einem sehr schmalen Gesicht hatte er noch eine lange Nase und ein spitzes Kinn.
    «Ja. Aber ich hab nicht oft dort gearbeitet.»
    «Ihr Handikap ist es, dass Sie mit zu niedrigem Rang eingestiegen sind», sagte Mary Barton. «Als was laufen Sie, als Lektor, Instructor? Wenn Sie sich hätten länger bitten lassen, wären Sie als außerordentlicher Professor eingestellt worden und hätten ein anständiges Büro bekommen. Natürlich, wenn Sie lange genug durchgehalten hätten und sehr nötig gebraucht worden wären, hätten Sie als ordentlicher Professor anfangen können, das heißt mit Privatbüro und Sekretärin. Ein Professor, Rabbi, ist nur ein Lehrer, der am längeren Hebel sitzt.»
    «Wie Sie sehen, ist Marys Einstellung zur Professorenschaft ziemlich zynisch», sagte Professor Holmes.
    «Wozu sie allen Grund hat.» Das kam von Professor Dillon, einem fröhlichen, rundgesichtigen Mann mit einem Walrossbart. «Sie unterrichtet hier seit – wie lange, Mary? Fünfzehn Jahren?»
    «Sechzehn.»
    «Seit sechzehn Jahren, und weil Sie den Doktor nicht hatte, ist sie Instructor geblieben. Darum – und weil sie eine Frau ist – und das, wohlgemerkt in einem ehemaligen Mädchen-College, das immer noch zu über sechzig Prozent von Mädchen besucht wird.»
    «Oh, unser Vorkämpfer für Women’s Lib», murmelte Holmes.
    «Ja, aber es stimmt doch, oder nicht?», fragte Dillon.
    «Natürlich stimmt es, aber Sie kennen die Gründe genauso gut wie ich. Mary hat alle Energie auf das Lehren und nicht auf das Forschen und Publizieren gerichtet, was sich heutzutage eben nicht auszahlt. Wissen Sie, Mary, Sie haben den natürlichen Fehler gemacht anzunehmen, dass ein College ein Ort wäre, zu dem die Studenten kommen, um zu lernen, und dass die Lehrer unterrichten. Das trifft aber schon seit Jahren nicht mehr zu. Sobald die Verwaltungen herausbekamen, dass es mehr Stiftungsgelder und sogar mehr Studienbewerbungen gibt, wenn jemand aus dem Lehrkörper eine Entdeckung macht, die in die Schlagzeilen kommt, war es mit der alten Ordnung vorbei, und Leute wie Sie wurden zum dinosaurus rex .»
    «Aber sie macht doch gerade ihren Doktor», wandte Place ein.
    «Ja, natürlich», Holmes nickte. «Sie hat sich ergeben. Ewig kann man nicht kämpfen. Hab ich Recht, Mary?»
    Der Rabbi wusste nicht ob sie Miss Barton neckten und ob sie sich was draus machte. Er sah Holmes an und fragte: «Was ist mit den Studenten?»
    «Was soll mit ihnen sein?»
    «Sie sagten, ehe die alte Ordnung sich wandelte, kamen die Studenten zum Studieren, und die Lehrer unterrichteten. Jetzt forschen sie, statt zu lehren. Was ist mit den Studenten, die zum Lernen kamen? Haben die sich auch gewandelt?»
    «Aber ja. Jetzt kommen sie wegen der Noten, wegen der Abschlussexamen, um bessere Posten zu bekommen. Es ist wie mit Rabattmarken. Man klebt ein Buch voll und bekommt einen akademischen Grad. Aber nicht mal mehr die Noten muss man selber verdienen. Buchläden, sogar die College-Buchhandlungen, verkaufen ganz offen die genauen Texte zu den Hauptvorlesungen. Bei einer Arbeit bekommen Sie von den Studenten immer dieselben, genau gleich formulierten Antworten.»
    «Diese Texte gab es schon, als ich noch auf dem College war», sagte Dillon.
    «Aber es galt als Betrug, sie zu benutzen», widersprach Holmes. «Und sie wurden heimlich unter der Theke verkauft. Jetzt kann man schon eine Semesterarbeit für zwei Dollar die Seite kaufen.»
    «Drei Dollar», wandte Place ein.
    «Drei Dollar, wenn sie neu angefertigt ist», korrigierte Mary Barton.
    Der Rabbi sah sie der Reihe nach an und fragte sich, ob sie ihn wohl verulkten. «Ich bin sicher, dass es noch ein paar Studenten gibt, die studieren.»
    Professor Place stimmte zu. «Aber sicher. Vielleicht sogar die Hälfte. Aber sogar ihre Noten sind nicht astrein. In den letzten beiden Jahren, Rabbi, hatten wir Studentenstreiks – zum Gedenken an die Schießereien am Kent State College, glaube ich. Sie brachen vor den Abschlussexamen aus, also machen die Studenten kein Examen. Wir schieben die Termine hinaus,

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