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Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Titel: Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Mengel
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dir nichts. Glaub mir! Bitte, es ist wichtig.“
    In vollem Lauf hob Susanna die Tasche auf und presste sie vor den Bauch.
    „Warte, bitte warte.“
    Rue de la gare, las sie auf dem Straßenschild, als sie erneut um eine Ecke schoss. Gleich hatte sie es geschafft, nur noch wenige Meter trennten sie von dem Haus Nummer 12. Ihre Schritte hallten durch die winzige Gasse. Klack, klack, klack. Das Geräusch eines zweiten Schuhpaares gesellte hinzu. Hart schlugen seine Absätze auf das Kopfsteinpflaster.
    Susanna erreichte die Tür. Noch während sie bremste, schlug sie mit der Faust kräftig dagegen. Sie zitterte. Aus dem Inneren des Hauses erklangen schlurfende Schritte. Nun mach schon.
    „Warte“, rief Samuel. „Was ich dir zu sagen habe, ist überlebenswichtig.“
    „Hauen Sie ab“, schrie sie ihn an.
    Die Tür schwang auf und Susanna drängte sich an Herrn Moulin vorbei ins Haus.
    „Bitte, ich muss dir etwas über die Flasche erklären.“
    Schwer atmend zog Susanna Herrn Moulin ins Haus. Sie schlug die Tür zu und lehnte sich von innen dagegen.
    „Wer war der Mann?“, fragte Herr Moulin.
    „Niemand.“
    „Für Niemanden hatte er viel zu sagen.“
    „Keine Ahnung, ich kenne ihn nicht.“
    Herr Moulin rieb sich die Nasenspitze. „Mir schien jedoch, er kannte dich.“
    „Nein.“
    „Ganz wie du willst.“ Herr Moulin schmunzelte. „Trinken wir eine Tasse Tee. Komm, setz dich.“
    Susannas Gedanken kreisten um den Fremden. Seine Worte klangen in ihren Ohren. Woher wusste dieser Samuel von der Flasche?
    Der Nachmittag verstrich. Egal welches Thema Herr Moulin anschnitt, nichts davon blieb in Susannas Gedächtnis haften.
     
    ***
     
    In der Ruelle-Gasse lugten die letzten Sonnenstrahlen des Tages durch das Schaufenster des Teeladens. Sie beschienen Albin, der im Türrahmen zum Hinterzimmer stand. Doch er bemerkte es nicht. Zu sehr konzentrierte er sich auf einen Mörser, in dem er mit einem Stößel die Zutaten zu einer neuen Teekreation zerrieb. Die Türglocke läutete. Albin blickte auf, stellte den Mörser zur Seite und trat an den Tresen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er die Kundin erkannte.
    „Guten Tag, gnädige Frau.“
    Sie wohnte in der Nachbarschaft und kam etwa einmal pro Woche. Wie immer hielten sie einen kurzen Schwatz, ehe sich die Kundin dem Plätzchenteller zuwandte.
    „Hmmm“, sie schnupperte genießerisch.
    „Nehmen Sie eines. Ich bin neugierig, ob sie die Aromen herausschmecken?“, sagte Albin.
    Während die Dame hingebungsvoll kaute, beobachtete er, wie ein Ausdruck von Glückseligkeit in ihr Gesicht trat. Doch erst als sich alle Geschmacksnoten des Gebäcks entfaltet hatten, entdeckte er die Aura, nach der er gesucht hatte. Die Kundin stand nun inmitten eines zartgelben Lichts, das Plätzchen tat seine Wirkung. Auf diesen Moment hatte Albin gewartet. Von nun an würde die Dame bereitwillig Auskunft geben.
    Albin hielt sich präzise an die Reihenfolge, die ihn Sarah vor Jahren gelehrt hatte. Er legte seine Hand auf den Arm der Kundin. Zunächst blieb er bei Small Talk.
    „Was schmecken sie heraus?“
    „Orange und einen Hauch Ingwer“, antwortete die Kundin.
    Tatsächlich enthielten die Plätzchen weder Orangen- noch Ingweraroma, sondern das Serum. Dennoch stimmte Albin begeistert zu. Nach einem Erfolgserlebnis plauderte es sich einfach leichter über persönliche Dinge.
    „Wie ist es Ihnen denn in der letzten Woche ergangen?“, fragte er.
    „Ach“, sie seufzte. „Seit gestern scheint mir das Schicksal übel mitzuspielen. Erst hat‘s den Hansi - Sie wissen schon, meinen Wellensittich - tot von der Stange gehauen und kurz darauf hätt‘ ich beinahe die Küche in Brand gesetzt. Ich kann Ihnen sagen, gestern Abend war ich fertig mit der Welt und ohne den Hansi fühlte ich mich einsam. Und ein paar Pfund zugenommen habe ich auch noch.“
    „Das mit dem Hansi tut mir leid“, antwortete Albin mitfühlend. Empathie war das Erste gewesen, das Sarah ihm vermittelt hatte.
    Andernfalls redeten sie nicht. Obwohl sie vorher das Plätzchen mit dem Wahrheitsserum gegessen hatten.
    „Beschreiben Sie bitte genau, wie Sie sich fühlen.“
    Tatsächlich breitete sie ohne zu zögern ihre Sorgen und Nöte vor Albin aus. Als er genug gehört hatte, ließ er ihren Arm los.
    Den Blick nach innen gekehrt stand sie regungslos am Tresen. Währenddessen ging Albin nach hinten, um die Teemischung zuzubereiten. Sorgfältig las er die Etiketten der hölzernen Kisten, die sich bis

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