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Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition)

Titel: Am dreizehnten Tag: Die Bestimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Mengel
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Einband hält die Seiten zusammen. Der Bibliothekar ersteigt einen Hocker und öffnet mit sanfter Hand den goldenen Beschlag. Sofort öffnet sich das Buch in der Mitte. Der Bibliothekar blättert einige Seiten um, bis er diejenige gefunden hat, die die Prophezeiung des Prinzen enthüllen wird. Das Blatt scheint leer zu sein. Auf dem silbrigen Papyrus ist kein einziger Buchstabe sichtbar.
    Doch mit einem Mal erscheinen sie. Zuerst nur einzelne, verschnörkelte Lettern, doch nach und nach bilden sich Wörter. Die Wörter beginnen zu tanzen, immer schneller bewegen sie sich, bis endlich der Reigen endet und jede Vokabel ihren Platz gefunden hat. Schließlich steht ein langer Text auf dem Papier.
    Eine Stunde vergeht, während der Bibliothekar Wort für Wort auf ein Papyrus überträgt. Schließlich beendet er sein Werk. Er rollt den Papyrus zusammen und reicht es dem Sultan. Dann weist er seinen hohen Gästen den Weg hinaus.
    Im Palastgarten wird die Bestimmung des Prinzen schließlich verkündet. Mit ruhiger und tragender Stimme verliest der Ausrufer, was darauf geschrieben steht. Die Worte, die er spricht, sind deutlich zu vernehmen, doch nicht klar verständlich. Wie stets sprach das Buch der Prophezeiungen in Rätseln.
    Die Menschen lobpreisen ihren Prinzen, der nun nicht länger ein Zögling und Anwärter ist. Von nun an gilt er als Mann. Dem Lande Kis-Ba-Shahid ist großes Glück beschieden, denn eine weitere Generation der Sultansfamilie wird dem Land dienen und ihm zur Ehre gereichen.
     
    Susanna ließ das Buch sinken. Wenn das Gelesene nun tatsächlich der Wahrheit entsprach, stammten die Menschen in Lesancé aus Kis-Ba-Shahid. Womöglich auch Susannas Familie? Verhielt sich Albin deshalb so merkwürdig? Aber warum sollte er seine Herkunft verschweigen?
    „Verdammt“, schimpfte Susanna. Das alles ergab keinen Sinn.
    Draußen näherte sich die Nacht. Gerade noch erkannte sie die Einzelheiten des Hofes, doch sie vermischten sich zusehends mit den Schatten. Susanna betrachtete die Krone der Kastanie, die im Wind leise schwankte. Schließlich fiel ihr Blick auf das gelbliche Licht der Straßenlaternen. Minutenlang starrte sie hinein.
    Eine Bewegung am Rand ihres Gesichtsfelds riss sie aus den Gedanken. Da wieder. Sie presste die Nase an die Scheibe und sah angestrengt nach draußen, bis ihre Augen an einer dunklen Gestalt hängen blieben.
    Es musste sich um einen Mann handeln. Er hob den Arm und winkte. Susanna fröstelte, doch sie ignorierte die Gänsehaut, die an ihrer Wirbelsäule hinaufkroch. Sicher wartet er auf jemanden , beruhigte sie sich. Eigentlich hätte sie sich jetzt umdrehen sollen und sich mit anderen Dingen beschäftigen, doch der geisterhafte Fremde ließ sie nicht los. Wie hypnotisiert klebte sie an der Fensterscheibe. Inzwischen war die Dunkelheit im Hof undurchdringlich geworden.
    Einige Minuten später ging hinter den Wipfeln der Kastanie der Mond auf. Langsam wuchs er aus der Baumkrone hervor. Noch reichte sein fahles Licht nur bis zur Mauer. Aber sobald es auf die Straße fiele, würde es die schemenhafte Gestalt in einen normalen Menschen zurückverwandeln.
    Der Mond ließ sich Zeit, wie tastende Finger krochen seine Strahlen die Mauer hinauf. Endlich traf das Licht die Straße und floss auf den Mann zu. Gleich war es so weit. Susanna kniff die Augen zusammen. Zentimeter für Zentimeter wich die Dunkelheit. Der Mann trug eine schwarze Hose und ein ebensolches Hemd, das konnte sie bereits erkennen. Nun erhellte der Mond seine Schultern, nur der Kopf lag noch im Schatten. „Nun zeig‘ dich schon“, flüsterte Susanna.
    Der Fremde hob erneut den Arm. Jetzt, endlich stand er ganz im Schein des Lichts. Irgendwie kam er Susanna bekannt vor. Sie blinzelte. Er war zu weit weg, um sein Gesicht richtig erkennen zu können. Wo hatte sie den Mann schon einmal gesehen? Fieberhaft dachte sie nach. Ein Bild wirbelte in ihrem Gedächtnis umher, doch sie bekam es nicht zu fassen.
    Nun winkte er. Susanna stutzte. Er blickte in ihre Richtung. Es schien beinahe, als wollte er Susannas Aufmerksamkeit gewinnen.
    Meint er tatsächlich mich? Aber woher sollte er wissen, dass sie dort saß. Sie hatte kein Licht eingeschaltet, er konnte sie unmöglich sehen. Der Mann winkte zunehmend energischer. Susanna erschauderte? Was, wenn er sie doch sah, wenn er wusste, dass sie sich die Nase an die Fensterscheibe platt drückte?
    Sie schrak zurück. Er kann dich nicht sehen, redete sie sich zu, keine Angst . Wo war ihr

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