Am Ende bist du mein
verdiene.»
Aber Gage war grundsätzlich gegen diesen Job. Es war seine Aufgabe, Jessies Studium zu finanzieren und für sie zu sorgen, nicht ihre. Leider war sie ebenso stur wie er, und kein Argument der Welt konnte sie dazu bringen, ihren Job im Madison-Hotel aufzugeben. Und insgeheim war er deshalb sogar stolz auf sie.
Er freute sich jedes Mal, wenn er sie sah, selbst wenn sie um Mitternacht mit einem Sack schmutziger Wäsche erschien. Er wusste, dass er zu fürsorglich war und sich zu viele Gedanken machte, tat aber sein Bestes, seine Ängste vor ihr zu verbergen. Am vergangenen Abend war es ihm schwerer als sonst gefallen.
Mit schleppendem Schritt durchquerte er den gekachelten Flur und versuchte den süßlich-klebrigen Geruch auszublenden, den kein Desinfektionsmittel übertünchen konnte.
Später, als Jessie wieder fort war, hatte er sich den Ordnermit seinen Notizen über Rhonda Minor noch einmal vorgenommen; insbesondere den Bericht über seinen Besuch bei Craig Thornton. «Verschlagen» hatte er damals an den Rand geschrieben und dreimal unterstrichen.
Gage stieß die schwere Metalltür zu dem Obduktionssaal auf. Drinnen waren die Wände gekachelt, und an einer Seite befanden sich große Becken und Duschhähne, auf der anderen Seite Instrumentenschränke, allesamt aus Edelstahl.
Das gleiche galt für den Untersuchungstisch in der Mitte, der direkt über dem Abfluss im Boden stand. Ein mit weißem Laken bedeckter Körper lag darauf. An den Seiten standen sich Alex Butler und eine kräftige junge Frau gegenüber, die ihr hellblondes Haar in einem Pferdeschwanz trug. Gage erinnerte sich, dass sie Kate hieß und eine von Butlers Assistentinnen war.
Butler schaute Gage über seine randlose Brille hinweg an. «Ein Momentchen noch, Detective.»
«Geht klar», antwortete Gage leicht ungeduldig.
Mit einer behandschuhten Hand griff Butler in ein Wasserbecken und zog so etwas wie einen zweiten Handschuh hervor. Gage schluckte. Der zweite Handschuh war offenbar ein Stück Haut.
Gage drehte sich der Magen um. «Allmächtiger», sagte er. «Was soll denn das werden?»
Butler warf ihm einen belustigten Blick zu. «Ich habe die Haut von der Hand meiner Leiche eingeweicht. Wenn ich Glück habe, komme ich jetzt mit den Fingern hinein, und wir kriegen die Abdrücke.»
Mit zusammengebissenen Zähnen sah Gage zu, wie Butler seine Finger in den Haut-Handschuh schob. Kate stellte Stempelkissen und Fingerabdruckkarte bereit. Behutsam nahm sie Butlers Hand und drückte seine Fingerkuppen nacheinander sanft auf die markierten Stellen.
«Hat es geklappt?», fragte Gage und wünschte sich, er hätte zum Frühstück nur Kaffee getrunken.
«Sieht fast so aus.» Butler schälte die Haut ab und ließ sie in ein Stahlbecken fallen. Kate eilte mit der Karte davon.
Butler wusch sich die Hände. «Sie hatten übrigens recht.»
Gage spürte, wie seine Übelkeit nachließ. «Womit?»
«Vor einer Stunde hat Nick Vega die Zahnunterlagen von Rhonda Minor vorbeigebracht. Die Brücken und Füllungen entsprechen haargenau dem Gebiss unseres Skeletts.»
Gage hätte triumphieren können, doch stattdessen verspürte er nur grimmige Genugtuung. «Also doch.»
«In einer Stunde fahre ich wieder hinaus zu den Colonies. Gegen Mittag beginne ich mit dem zweiten Grab.»
«Gut zu hören.»
Hinter ihnen wurde die Tür mit einem Fußtritt aufgestoßen. Gage drehte sich um. Vega stand da, hielt ein Tablett mit drei Bechern Kaffee in den Händen und sah aus wie das blühende Leben. «Und?», fragte er.
«Die Tote ist Rhonda Minor», antwortete Gage.
«Kein Essen und keine Getränke im Labor», befahl Butler. «Stellen Sie das Tablett draußen im Flur ab.»
Vega betrachtete die Kaffeebecher wehmütig, als müsse er sich von alten Freunden verabschieden, verschwand und kam mit leeren Händen wieder.
«Das war artig», grinste Butler.
«Kein Mann mit Herz würde einen Menschen morgens von seinem Kaffee trennen», entgegnete Vega.
«Stell dich nicht an, Vega.» Gage wandte sich an Butler. «Sie gehen von einem Kopfschuss aus, richtig?»
Butler nickte. «Den Schädel habe ich letzte Nacht nochmal genauer untersucht und das abgetrennte Stück wieder eingefügt. Wie es aussieht, gab es einen Schuss ins Genick.Die Kugel muss aus der rechten Augenhöhle ausgetreten sein. Falls es Sie beruhigt, die Frau war sofort tot.»
«Vielleicht finden Sie die Kugel ja heute.»
«Ich befürchte eher nicht. Wahrscheinlich steckt sie da draußen in einem der
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