Am Ende der Angst
Frank McDougal auseinandernahmen, und verzog mitleidig den Mund. Der Mann hatte die Nutte bestimmt nicht getötet. Doch ich hatte auch keine bessere Idee. Und vielleicht kam ja doch etwas dabei heraus.
Wir legten auf und ich widmete mich wieder meinem Schweigen mit Sam. Als endlich Feierabend war, ging ich ins Obdachlosenheim. Es war verrückt, wie es jedes Mal in meinem Bauch kribbelte, wenn ich Skye sah. Doch ich versuchte, cool zu bleiben. Sie kam eilig auf mich zu.
»Und?«, fragte sie mich. »Hast du etwas herausfinden können?«
Ich überlegte kurz, was ich ihr sagen konnte, was der Wahrheit am nächsten kam, ohne sie in Angst und Schrecken zu versetzen.
»Wie es aussieht, gibt es keinen Serienmörder«, sagte ich schließlich. »Und meiner Theorie nach hat sie etwas gesehen oder gehört, was sie nicht hören oder sehen sollte, ist geflohen und dabei erschossen worden. Aber diese Theorie ist nicht bestätigt. Im Übrigen kann ich dir sagen, dass die Polizei intensiv mit dem Fall beschäftigt ist.«
»Danke.« Sie nickte erleichtert. »Die anderen Frauen sind also nicht in Gefahr?«
»Vermutlich nicht.«
»Ich hatte schon vermutet, dass sie vielleicht ermordet wurde, einfach nur weil sie eine Prostituierte war. Es gibt Leute, die die Mädchen auf der Straße als Menschen zweiter Klasse betrachten.«
Auch das war eine Variante, die ich heute im Laufe des Tages im SUV durchdacht hatte. Aber es gab keine Anhaltspunkte dafür. Morde aus Hass sahen anders aus.
»Es ist möglich, aber nicht wahrscheinlich«, erwiderte ich vorsichtig.
»Danke für deine Hilfe«, sagte sie und sah mich mit ihren himmelblauen Augen an, so dass ich weiche Knie bekam. Schnell blickte ich weg.
»Ich habe es heute nicht geschafft, Bier für die Männer mitzubringen«, sagte ich. »Tut mir leid.«
»Das werden sie dir sicherlich verzeihen.«
Ich war mir nicht so sicher, ob sie das wirklich tun würden. Drei der Männer standen schon in meiner unmittelbaren Nähe und warteten nur darauf, dass ich mein Gespräch mit Skye beendete und den Rucksack öffnete. Vier weitere beobachteten mich unentwegt aus der Entfernung, um im richtigen Moment rechtzeitig bei mir sein zu können.
Ich zuckte mit den Schultern und zeigte den drei Männern meine leeren Hände. Da wandten sie sich enttäuscht ab. Auch die vier in meiner Nähe verstanden den Wink und gingen ihrer Wege.
»Das nächste Mal wieder«, sagte ich zu Skye. Die nickte, dankte mir noch einmal, dann ging sie zurück zum Tresen, um die Speisung der Hungrigen fortzusetzen.
Ich verließ den »Sommerabend« und sah auf die Uhr. Es war noch früh, noch nicht einmal 7 Uhr. Daher machte ich auf dem Heimweg Halt im Sportstudio. Ich streifte mein Hemd ab, zog die Boxhandschuhe an und malträtierte den Sack, bis ich vor Erschöpfung fast umfiel.
Dann erst fuhr ich endlich nach Hause.
Der Mann hatte gesagt, sie solle so schnell laufen, wie sie konnte. Doch sie strauchelte immer wieder. Ihre nackten Füße stolperten in der Dunkelheit über Wurzeln und kleine Sträucher. Einmal blieb ihr Bein an einem spitzen Zweig hängen, so dass sie mit einem Schrei zu Boden fiel. Sie musste in eine Dornenhecke gefallen sein, denn die Hände, mit denen sie sich abgestützt hatte, waren zerkratzt und bluteten. Schnell rappelte sie sich auf und lief hinkend weiter. Steine, Zweige und Dornen gruben sich in ihre Füße, Zweige schlugen in ihr Gesicht, zerkratzten unbarmherzig ihre Haut. Der Boden war so uneben, dass sie schon mehrere Male umgeknickt war. Ihre Knöchel schmerzten, doch sie durfte nicht stehenbleiben. Sie hatte das Gefühl, als könne man ihr Keuchen viel zu weit hören. Sie sah sich um. Das Haus war weit entfernt. Ob sie sie in der Finsternis sehen konnten? Bald war sie in Sicherheit.
Auf einmal peitschte etwas neben ihr in den Stamm eines Baumes. Rinde splitterte ab und spritzte in ihr Gesicht. Erschrocken zuckte sie zusammen. Was war das? Sie drehte sich um. Das Haus war nicht mehr zu sehen. Sie war mitten im Wald.
Sie hörte ein Pfeifen, dann wieder ein Peitschen. Doch dieses Mal traf es nicht den Baum, sondern ihren Arm. Ein unerträglicher Schmerz durchfuhr ihren Körper. Sie griff an ihren Arm und fühlte eine warme, klebrige Flüssigkeit daraus hervorquellen. Blut. Ihr Blut.
Entsetzt begann sie wieder zu laufen. Die Decke rutschte von ihren Schultern, doch sie bemerkte es nicht. In der Ferne konnte sie Hundegebell hören. Wieder zersplitterte ein Baumstamm, direkt neben ihrem Kopf.
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