Am Ende der Nacht

her. Er fühlte sich in seiner neuen
Identität sicher.«
    Ich mußte daran denken, was Craig
Morland über seine Informanten gesagt hatte, die in das Zeugenschutzprogramm
aufgenommen worden waren: »Ein paar kamen an den Punkt, wo sie sich sicher
fühlten, wieder zu ihren alten Gewohnheiten und Stammplätzen zurückkehrten; sie
wurden erkannt und umgebracht.« John war erkannt worden, nur weil er auf einem
Flugplatz gewesen war — einem seiner alten Stammplätze.
    »Laß es ein bißchen ruhen«, sagte Hy.
    »Oh, na klar, du hast es gerade nötig,
mir gute Ratschläge zu geben. Du, der du gestern in ganz Nordkalifornien
rumgeflogen bist —«
    »Hierher!«
    »Jetzt redest du schon mit mir wie mit
einem Hund!«
    »Du benimmst dich auch wie ein Hund,
der einen verscharrten Knochen nicht mehr wiederfindet.«
    Ich ließ mich auf das Sofa plumpsen,
verschränkte aber die Arme vor der Brust und achtete darauf, daß zwischen uns
ein gebührender Abstand war. Hy zog mich zu sich hinüber und begann, mein Ohr
zu beknabbern. Ich wehrte mich, aber dann begann er, meinen Hals zu küssen.
Halsküsse wirken bei mir immer.
    Nach einem Weilchen sagte ich: »Ich
verstehe trotzdem nicht, warum Mick es nicht schafft —«
    »Ich bin am Verhungern. Soll ich Pizza
bestellen?«
    »Er ist ein Computergenie, Herrgott
noch mal! Das sollte für ihn doch ein leichtes sein.«
    »Salami, Sardellen, Champignons,
Pepperoni?«
    »Vielleicht schlägt ihm das Geturtel
mit Keim ja aufs Hirn. Vielleicht war es doch ein Fehler, sie einzustellen.
Oliven und Extra-Käse, dazu.«
    »Groß oder extragroß?«
    »Extragroß. Den Rest können wir kalt
zum Frühstück essen.«
    »Ich rufe an. Dein Job ist es, den
Tisch zu decken und den Wein aufzumachen.«
     
    Grimly war eine Frau — Sara mit
Vornamen.
    Wir trafen uns am nächsten Morgen um
neun in einem Coffeeshop mitten in Petaluma. Der Regen hatte aufgehört, der
Himmel war klar, und sie freute sich auf einen vollen Unterrichtstag, nachdem
sie all ihre Flugschüler telefonisch vergattert hatte, Stunden zu nehmen, solange
das Wetter es zuließ. Sie war etwa fünfundzwanzig, zierlich, dunkelhaarig und
sehr enthusiastisch. Ihre Augen leuchteten, wenn sie übers Fliegen sprach, und
sie gab zu, daß sie nur unterrichtete, um so viele Flugstunden zu sammeln, daß
sie sich bei einer Airline bewerben konnte. »Unterrichten ist ja okay, aber man
muß die ganze Zeit arbeiten, nur um über die Runden zu kommen. Ich will mir
eines Tages eine eigene Maschine kaufen, und die einzige Möglichkeit, das zu
schaffen, ist ein richtig guter Job oder ein reicher Ehemann — und momentan
komme ich nicht mal dazu, mich nach einem Freund umzuschauen.«
    »Erzählen Sie mir von John Seabrook.
Wie war er so als Flugschüler?«
    Ihr Gesichtchen wurde ernst, und sie
fischte umständlich ihren Teebeutel aus der Tasse. »Erklären Sie’s mir noch
mal. Sie sagten am Telefon, John sei verschwunden?«
    »Schon seit zwei Wochen.«
    »Und sein Sohn ist jetzt bei Freunden?«
    »Richtig.«
    »Und was ist mit der Freundin?«
    »Das ist... vorbei.«
    »Dann braucht ihn der Junge. Ich werde
Ihnen alles über John sagen, obwohl es normalerweise mein Grundsatz ist, nie
über meine Flugschüler zu reden — aber was das dazu beitragen soll, daß sie ihn
finden, weiß ich nicht. John war ein ungewöhnlicher Flugschüler. Ich habe ihn
mit sechs Stunden allein fliegen lassen und hätte wahrscheinlich schon früher
aussteigen können. Er hat die nötigen Stunden innerhalb eines Monats
durchgezogen, war mehrmals die Woche da, hat selbst für die Theorieprüfung
gelernt. Er hat sie mit Bravour bestanden und die praktische Prüfung auch auf
Anhieb.«
    »Er muß ja wirklich Talent gehabt
haben.«
    »Talent kann man das nicht nennen.«
    »Wie denn?«
    »Erfahrung.«
    »Wollen Sie damit sagen, er konnte
schon fliegen?«
    »Er hatte das alles garantiert schon
mal gemacht.«
    »Und Sie haben ihn nicht darauf
angesprochen?«
    Sie zuckte die Achseln. ‘»Ich habe mir
gesagt, daß er schon seine Gründe haben wird — und daß die mich nichts angehen.«
    »Hatten Sie keine Angst, damit Beihilfe
zu einer betrügerischen Handlung zu leisten?«
    »Was ist denn betrügerisch daran, die
gesetzlichen Anforderungen für den Flugschein zu erfüllen? Der Mann hatte
gültige Ausweispapiere und eine Gesundheitsbescheinigung. Er hat Schecks
ausgestellt, und sie wurden eingelöst.«
    Nüchtern und pragmatisch, und außerdem
hatte sie das Geld gebraucht. »Hat John je über