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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Namen lautete. Er konnte
nicht einfach ein paar Auffrischungsstunden nehmen, sondern mußte noch mal ganz
von vorn anfangen. »Wissen Sie den Namen des Fluglehrers?«
    »War irgendein komischer Name. John hat
mal drüber gewitzelt — so ein Name sei nicht gerade die beste Reklame für
jemanden, dem man sein Leben anvertrauen soll.« Payne dachte nach. »Ja, das
war’s: Grimly. Den Vornamen weiß ich nicht.«
    Nicht die beste Reklame war
untertrieben. Aber dieser Name würde es erleichtern, den Fluglehrer zu finden.
     
    Ich wollte noch mal mit Gray Selby
reden, also fuhr ich wieder durch den Ort und zur anderen Seite hinaus, in der Hoffnung,
daß Selby trotz des Regens noch auf dem Platz war, womöglich seinem letzten
Schüler eine Theoriestunde gab.
    Ich fand sie an dem großen Tisch in der
Flugschule, über eine Fliegerkarte gebeugt. Selby erklärte gerade die Bedeutung
der verschiedenen Symbole mit einer Geduld, die ich ihm gar nicht zugetraut
hätte. Er bemühte sich, finster zu gucken, als ich reinkam, aber es war ein
halbherziger Versuch, und schließlich streckte er fünf Finger in die Höhe und
tippte auf seine Uhr. Ich nickte, setzte mich neben das Telefon, das für die
Flugschulkunden reserviert war, und rief Dr. Sandlers Praxis an. Als ich den
Arzt an der Strippe hatte, klang er gehetzt.
    »Entschuldigen Sie, daß ich noch nicht
zurückgerufen habe, Ms. McCone. Ich habe die Notiz auf meinem Schreibtisch
liegen.«
    »Ich will Ihre Zeit nicht lange in
Anspruch nehmen. Soweit ich weiß, war Matty Wildress eine Patientin von Ihnen.«
    »Sind Sie eine Angehörige?«
    »Eine Ex-Schülerin und Freundin und
außerdem die Privatdetektivin, die sie beauftragt hat, John Seabrook ausfindig
zu machen.«
    »Aha. Sie müssen wissen, ich darf keine
—«
    »Es geht mir nicht um vertrauliche
Informationen. Ich weiß, daß John Seabrook wegen der
Flugtauglichkeitsbescheinigung bei Ihnen war, und ich weiß auch, daß Matty
letzte Woche einen Termin bei Ihnen hatte, um Sie zu fragen, was John von Ihnen
wollte. Alles, was ich jetzt noch wissen will, ist, ob sie da war und ob Sie
ihre Fragen beantwortet haben.«
    »Sie war da, und ich habe ihr erklärt,
daß ich ihr nicht sagen könne, warum Seabrook bei mir gewesen sei.«
    »Hat sie Ihnen erzählt, daß er
verschwunden ist?«
    »Ja. Ich habe ihr dringend geraten,
Vermißtenanzeige zu erstatten.«
    »Aber Sie haben ihr trotzdem nicht
gesagt, warum —«
    »Ich konnte mir nicht vorstellen, was
sein Verschwinden mit der Tatsache zu tun haben sollte, daß er fliegen lernen
wollte.« Jetzt klang der Arzt defensiv. »Ich habe ihr gesagt, um seine
Gesundheit brauche sie sich keine Sorgen zu machen.«
    Wenigstens hatte er sie in diesem Punkt
beruhigt. Ich dankte dem Arzt und legte auf.
    Selbys Flugschüler war jetzt dabei, die
Karte zusammenzufalten und seine Sachen einzupacken. Der Fluglehrer wandte sich
mir zu, die Hände in die Hüften gestemmt, um seine übliche Macho-Pose bemüht.
Aber der Versuch scheiterte, und er gab es auf. »Immer noch an dem Fall,
McCone?«
    »Ja. Sind Sie für heute fertig?«
    »Bin ich.«
    »Ich würde Sie gern zu einem Bier
einladen.«
    Er zögerte. »Ein Bier könnte ich schon
vertragen, aber nicht hier im Diner. Zu deprimierend, der ganze Laden. Kennen
Sie Mario’s, im Zentrum?«
    »Kenne ich.«
    »Treffen wir uns in fünfzehn Minuten
dort.«
     
    Das Mario’s war an der Main Street —
eine dieser klassischen Bars mit Neon-Martinis in den Fenstern und jeder Menge
Glasziegeln, Vinyl und Chrom. Ich nutzte die Zwischenzeit, um Rücksprache mit
meinem Büro zu halten, daher saß Selby schon in einer Sitznische, als ich aus
dem Regen in die Bar trat. Kaum hatte ich mich ihm gegenübergesetzt, kamen zwei
eiskalte Krüge Bier.
    Er prostete mir mit seinem zu und
trank. »Nett, jemanden zu haben, mit dem man seinen Kummer ertränken kann.«
    »Kummer weswegen?«
    »Wegen Wildress natürlich. Was für ein
gottverdammter Jammer.«
    Ich sah ihn überrascht an.
    »Ja, ich weiß. Sie glauben, mein
Standpunkt zu Frauen im Cockpit läßt nicht zu, daß es mir an die Nieren geht,
wenn eine Frau auf diese Art stirbt. Aber ich will Ihnen was sagen — im Tod
sind wir alle gleich. Herrgott, was für ein Ende. Ich, ich fliege schon fast
mein ganzes verdammtes Leben lang. Himmel noch mal, ich habe einen Krieg
überlebt, habe mitangesehen, wie es rechts und links von mir Kameraden erwischt
hat. Selbst jetzt, wo ich hier in diesem Kaff und auf diesem...

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