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Am Ende der Nacht

Am Ende der Nacht

Titel: Am Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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bezaubernden
kleinen Flugplatz gestrandet bin, verliere ich noch ab und zu Freunde. So ist
das nun mal, wenn man nur Flieger kennt, wir sind ein kleines Völkchen. Aber
das ist alles nichts dagegen, daß diese Frau dort oben die tollsten Manöver
fliegt, und im nächsten Moment ist sie nur noch... Toast.«
    »Das stimmt. Ich war dabei, als es
passiert ist.«
    »Kratzt es Sie an?«
    »...Bißchen.«
    »Wenn Sie nur einen Funken Mumm im Leib
haben, dürfen Sie das nicht zulassen.« Er setzte sein Bier ab, die Augen in die
Ferne gerichtet. »Ich habe in N’am F-4 geflogen — Phantomjäger, von einem
Flugzeugträger aus. Klar sind Leute nicht wieder zurückgekommen, und jedesmal,
wenn man vom Flugdeck abgehoben hat, wußte man, man kann als nächster dran
sein. Aber ich habe nicht zugelassen, daß es mich ankratzt, und wenn ich dann
wieder auf dem Träger gelandet bin und gespürt habe, wie der Haken ins Seil
greift — ich sage Ihnen, McCone, das war das Größte, was man erleben kann.«
    Während des Vietnamkriegs hatten die
Jägerstaffeln beim Militärflughafen Miramar, nicht weit vom Haus meiner Eltern
in San Diego, Manöver abgehalten. Ich dachte daran, wie die Phantomjäger den
Himmel durchschnitten hatten, schnell, elegant und tödlich. »Wenn man so eine
Maschine geflogen hat, muß einem doch alles andere —«
    »Sie haben’s erfaßt. Und jetzt fragen
Sie sich, warum ich mit meiner Erfahrung hier in diesem Kaff hocke und
Flugstunden gebe.«
    »So ähnlich.«
    »Mit zwei Worten: familiäre
Verpflichtungen. Alte, kranke Eltern, ein behinderter kleiner Bruder. Also bin
ich nach Hause zurückgekommen, und da bin ich geblieben. Ich kann Ihnen sagen,
es war ein ganz schöner Hammer, mit achtundzwanzig feststellen zu müssen, daß
mein Leben vorbei ist, und es dann noch mit der allgemeinen Einstellung in
diesem Land zu tun zu haben.«
    »Sie meinen die Einstellung zu Leuten,
die im Vietnamkrieg gekämpft hatten?«
    Er nickte.
    »Ihre Generation hatte wirklich miese
Karten.«
    »Was wissen Sie schon darüber? Sie
waren doch bloß ein Kind damals. Das ist gut so, da haben Sie wenigstens nicht
zu denen gehört, die uns angespuckt haben.« Er griff nach seinem Bierglas und
trank in einem langen Zug. Knallte das Glas wieder hin.
    Ich wartete einen Moment, ehe ich
sagte: »Ich war nicht so klein, daß ich nicht mitgekriegt hätte, was lief. Mein
Vater war Berufsoffizier bei der Navy und mußte sich selbst mehrmals anspucken
lassen.«
    Selby sah mich an, und die Wut in
seinen Augen kühlte allmählich ab. Seufzend sagte er: »Ach, Teufel noch mal,
McCone, ich bin schon so lange wütend. So lange, daß ich es leid bin. Können
wir jetzt über was anderes reden? Zum Beispiel darüber, warum Sie immer noch
auf der Suche nach John Seabrook sind? Wildress ist tot, ihr bringt das doch
nichts mehr.«
    »John hat einen Sohn — Zach. Vielleicht
haben Sie ihn schon mal hier auf dem Platz gesehen?«
    »Ach, ja, richtig. Nettes Kerlchen.
Machen Sie das jetzt seinetwegen?«
    »Ja.«
    »Das ist gut. Der Junge braucht
Freunde, die sich um ihn kümmern. Er braucht einen Vater. Also, was wollen Sie
von mir?«
    »Sie haben Seabrook genau beobachtet,
deshalb dachte ich, sie hätten vielleicht etwas mitgekriegt, was heute vor zwei
Wochen passiert sein muß. Matty hat mir erzählt, sie war mit John im Diner zum
Mittagessen verabredet. Als sie von ihrer Flugstunde zurückkam, war er da, aber
er wirkte ziemlich aufgeregt und erklärte, er könne nicht mit ihr essen. Können
Sie sich daran erinnern?«
    »Vor zwei Wochen... War das der Tag —
ja, genau! Die Typen mit der Silver Ranger.«
    »Was für Typen?«
    »Okay, das war so: Ich hänge draußen
auf der Terminalterrasse rum, und diese Silver Ranger — brandneuer,
scheißteurer Privatjet, gebaut von Stirling Aviation — landet hier. Der
Passagier steigt aus und kommt zum Terminalgebäude rüber, während der Pilot die
Maschine festmacht. Dann entdeckt er den Diner und marschiert über den
Parkplatz. Seabrook ist gerade angekommen und steigt aus seinem Pickup, um das
Tor aufzumachen, damit er auf den Platz fahren kann. Sie sehen sich, und selbst
auf die Entfernung merke ich, daß die Überraschung auf beiden Seiten groß ist.
Sie reden kurz miteinander, dann geht der Typ zum Diner weiter, und Seabrook
steigt wieder in seinen Pickup und fährt zu den Flugschulabstellplätzen, wo Wildress
und ihr Flugschüler gerade eingetrudelt sind.«
    »Haben Sie mitgekriegt, wie das
Verhältnis der beiden

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