Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
reinzuhängen, ist alles aus. Martha fühlt, wie ihr die Tränen über die Wangen laufen. Sie hat doch gar nichts Böses gemacht! Wie ein Schutzschild hält sie sich das Päckchen vor die Augen. Gleich wird die Schranktür aufgerissen, Licht wird sie blenden und –
Doch nichts dergleichen passiert. Martha hört Rascheln, das Klappern eines Bügels. Anscheinend hängt Frau Dernburg ihren Mantel an die Garderobe.
Sie atmet auf, doch gleich darauf spürt sie ein unwiderstehliches Kitzeln in der Nase. Das ist der stechende Parfümgeruch. Sie kneift sich die Nase zu, um nicht niesen zu müssen.
Endlich entfernt sich die Dernburg vom Eingang, geht den Flur entlang, das Knarren einer Tür ertönt.
Sicherheitshalber wartet Martha noch einen Augenblick, bevor sie die Schranktür ein winziges Stück öffnet. Der Flur ist leer. Anscheinend ist Frau Dernburg in einem der hinteren Zimmer. Das ist die Chance! Martha drückt die Tür weiter auf, da klingelt es. Schnell verschwindet sie wieder in ihrem Versteck. Das darf doch nicht wahr sein!
Sie hört, wie die Dernburg den Flur entlangkommt, direkt vor der Tür bleibt sie stehen. «Wer ist da bitte? Hallo?»
Die Gegensprechanlage ist mal wieder kaputt wie so oft.
Doch anscheinend hat Frau Dernburg auf den Türöffner gedrückt, denn Martha spürt, dass sie am Eingang stehen geblieben ist und wartet. Vielleicht nimmt sie ja wieder ein Paket entgegen, um dann für alle Ewigkeit zu verschwinden. Martha möchte am liebsten schreien. Wenn sie nur endlich hier rauskönnte!
«Sie?», ruft Frau Dr. Dernburg jetzt, und es klingt nicht sehr erfreut. «Was wollen Sie hier? Ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich die Therapie abbreche.»
Martha kann nicht hören, was geantwortet wird, erkennt an der Stimme aber, dass es ein Mann sein muss.
«Ich gebe Ihnen fünf Minuten, nicht länger!»
Schritte, die den Flur entlanggehen, und Schritte, die folgen. Ein wenig zögernd, wie es Martha scheint.
Sie hat das Gefühl, langsam zu ersticken, sie muss raus aus diesem Schrank, sofort! Wieder öffnet sie die Tür einen kleinen Spalt. Aus dem Wohnzimmer sind wütende Stimmen zu hören.
«Und wie ich Sie anzeigen kann!», ruft Frau Dernburg. «Mit ärztlicher Schweigepflicht hat das überhaupt nichts zu tun, wenn Sie hier –»
Etwas jault auf und noch einmal, dann schlägt eine Tür zu.
Martha überlegt nicht lange, sie stürzt aus dem Schrank, reißt die Wohnungstür auf, stolpert die Treppe herunter, muss sich am Geländer festhalten, um nicht zu fallen, und kann erst wieder Luft holen, als sie ihre Wohnungstür aufschließt. Sie hält immer noch das Päckchen umklammert. Warum hat sie es nicht dagelassen, einfach irgendwohin geworfen?
Jill! Sie muss Jill um Rat fragen, die hat ihr das schließlich alles eingebrockt. Jetzt, wo die Dernburg endlich zu Hause ist, hätte Martha das Päckchen ja auch auf normalem Weg holen können. Aber nein, anstatt in Ruhe abzuwarten, hat sie auf Jill gehört und sich in diese furchtbare Situation gebracht. Sie kann kaum ihr Handy halten, so zittert ihre Hand. Jill geht nicht ran. Ist ja klar, wenn man sie wirklich braucht, ist sie nicht da.
Martha füllt ein Glas mit Leitungswasser und stürzt es hinunter, das tut gut. Sie kann wieder klar denken. Es gibt nur eine Lösung: Sie geht nach oben, klingelt und sagt der Dernburg, wie es war. Egal, was die dann denkt, was hat sie mit der Frau zu schaffen? Die grüßt ja noch nicht einmal.
Dann fällt ihr der offensichtlich ungebetene Besucher ein. Aus irgendeinem Grund möchte sie nicht hoch, solange der noch da ist. «Fünf Minuten», hatte die Dernburg gesagt. «Ich geben Ihnen fünf Minuten.»
Martha geht zur Tür, und da hört sie auch schon Schritte die Treppe herunterkommen, schnelle Schritte. Derjenige scheint es sehr eilig zu haben. Sie wartet noch eine Weile, dann nimmt sie ihr Päckchen und verlässt die Wohnung.
Etwas mulmig ist ihr dann doch. Was soll sie sagen, wenn die Dernburg sie beschimpft, droht, die Polizei zu rufen, weil sie einfach so bei ihr eingedrungen ist? Sie spürt den Schlüssel in der Tasche ihrer Jeans. Sie wird ihn ihr zurückgeben müssen.
Martha geht langsam die Treppe hoch und klingelt. Sie versucht ein vertrauenswürdiges, freundliches Gesicht aufzusetzen. Doch ihr Lächeln fällt Stück für Stück wieder ab, als sich nichts tut. Die Dernburg muss doch da sein! Es sind höchstens zehn Minuten vergangen. Martha klingelt noch einmal. Vielleicht hat die Alte keine Lust mehr
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