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Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)

Titel: Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwig
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zu öffnen, aus Angst, ein unangenehmer Patient steht wieder vor der Tür. Sie klopft. Erst zaghaft, dann kräftig.
    «Frau Dr. Dernburg? Ich bin’s, Martha von unten. Es ist wegen dem Päckchen!»
    Keine Reaktion. Womöglich war es die Dernburg, die da eben so eilig das Haus verlassen hat. Vielleicht ist der Besucher schon vorher gegangen. Als Martha in ihrem Zimmer war und versucht hatte, Jill anzurufen. Anscheinend ist wirklich niemand da.
    Martha zieht den Schlüssel aus der Hosentasche. Soll sie es wagen? Soll sie noch einmal aufschließen und das Päckchen zurücklegen? Das dauert keine Minute.
    Sie steckt den Schlüssel ins Schloss, da hört sie, wie unten die Haustür geöffnet wird. Hastig zieht sie den Schlüssel wieder heraus und geht mit klopfendem Herzen die Treppe hinunter und bleibt vor ihrer Wohnungstür stehen. Der, der ihr gerade entgegenkommt, ist Johannes!
    Er sieht grauenvoll aus. Sein Gesicht ist kalkweiß, die Augen hinter den Brillengläsern rot und geschwollen.
    «Bist du krank?», fragt sie.
    «Ja, ich hab … furchtbare Kopfschmerzen … ganz plötzlich … muss mich nur kurz hinlegen.» Er sieht sie nicht an.
    Martha schließt die Tür auf. Jetzt erst scheint Johannes das Päckchen zu bemerken.
    «Hat sie es dir also gegeben», sagt er, als er hinter Martha die Wohnung betritt.
    «Hm», macht Martha vage und verschwindet schnell in ihrem Zimmer. Glück gehabt! Wenn Johannes nur ein paar Minuten später gekommen wäre, dann hätte er sie ohne Päckchen die Treppe herunterkommen sehen, und sie hätte sagen müssen, dass die Dernburg wieder nicht da gewesen sei. Stattdessen kann sie jetzt endlich ihr Kleid anziehen.
    Es passt! Es passt wie angegossen. Nichts kneift, nichts zwickt, nichts muss enger, weiter, kürzer oder länger gemacht werden.
    Martha steht in Bewunderung versunken vor dem großen Spiegel im Flur, als die Wohnungstür aufgeschlossen wird und Poppy auf sie zustürzt.
    «Du siehst schön aus, Maahta, ganz toll schön!»
    Marthas Mutter stellt die Einkaufstaschen ab. «Sehr hübsch, wirklich. Dann war die Dernburg also endlich da?» Ihr Blick fällt auf Johannes’ Lederjacke, die er über einen Stuhl geworfen hat.
    «Johannes ist hier?», fragt sie erstaunt.
    «Hat gemeint, er hätte Kopfschmerzen, und sich hingelegt», sagt Martha und hofft, dass das ihre Mutter davon abhält, weiter nach Frau Dernburg zu fragen. Es funktioniert.
    «Ich will Papa meine neue Kreide zeigen!», ruft Poppy.
    «Nicht so laut, Papa muss sich ausruhen», sagt Constanze und bringt die Einkäufe in die Küche.
    Am liebsten würde Martha das Kleid gar nicht mehr ausziehen, aber als sie sieht, wie Poppy mit grüner und roter Kreide den Fußboden bearbeitet, geht sie schnell in ihr Zimmer und schließt die Tür.
    «Nicht auf dem Boden malen, Penelope», hört sie ihre Mutter von draußen rufen. «Dafür hast du doch die Wandtafel!»
    Martha kichert leise in sich hinein. Da hat die Glatze extra ein riesiges Brett angebracht und mit Tafelfarbe bemalt, damit sein Balg darauf herumkrakeln kann, stattdessen bemalt sie Böden und Wände und Möbel und patscht mit ihren Kreidefingern auf allem herum. Aber ihr Kleid wird das Monster nicht versauen. Vorsichtig zieht Martha es sich über den Kopf und hängt es auf einen Bügel. Das macht sie sonst nie.
    Morgen ist wieder Probe, morgen sieht Miller sie in dem Kleid. Was wird er sagen? Wie wird er sie anschauen?
    «Bleib noch einen Moment, Martha», sagt Miller am Ende der Probe.
    Martha dreht sich zu ihm um, der Rock des Kleides wirbelt um ihre Beine. «Warum?», fragt sie und tut ahnungslos.
    «Weil –»
    Es klopft. «Was ist denn?», fragt Martha ungehalten.
    Johannes streckt den Kopf durch die Tür. «Tut mir leid, dass ich vorhin so unfreundlich war. Mir ging’s nicht gut.»
    «Schon okay», sagt Martha.
    «Ist es das?», Johannes zeigt auf das Kleid, das am Schrank hängt.
    Martha nickt und schiebt mit dem Fuß das verräterische Päckchen unter ihr Bett.
    «Wann ist denn überhaupt Premiere?»
    «Freitag in zehn Tagen.»
    «Hoffentlich hab ich da nicht Dienst. Ich möchte euer Stück gern sehen.»
    «Es ist aber auf Englisch», sagt Martha und hätte sich gleich darauf ohrfeigen können.
    Johannes lächelt traurig. «Du wirst es nicht glauben, aber ich kann Englisch.»
    Martha könnte im Erdboden versinken. «Ja, klar, wie dumm von mir.»
    Natürlich kann Johannes Englisch. Er war schließlich nicht nur mit einer Amerikanerin verheiratet, er hat auch

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