Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
anrichten», murmelt Johannes so leise, dass Martha nicht sicher ist, ob sie sich verhört hat. Laut sagt er: «Keine Angst, spätestens morgen ist sie wieder da, und du bekommst dein Kleid.»
Martha fällt etwas ein. «Du kriegst ja auch noch das Geld von mir. Im Moment bin ich nur … na ja … um ehrlich zu sein, hab ich keins.»
«Ich hab dir doch neulich erst sechzig Euro gegeben», sagt ihre Mutter.
«Das ist ewig her, Mama, und ich musste doch auch noch Schuhe kaufen für das Stück und –»
«Lass mal, Constanze, die fünfzig Euro machen mich jetzt auch nicht arm.»
«Wieso fünfzig?», fragt Martha. «Ich denke, das Kleid hat fünfundvierzig Euro gekostet.»
«Dazu kommt noch der Versand von 5 , 50 Euro.»
Constanze sieht Martha kopfschüttelnd an. «Also wirklich, das hättest du dir doch denken können.»
Johannes winkt ab. «Weißt du was, Martha, ich schenke dir das Kleid.»
«Hat Maahta Geburtstag?», fragt Poppy.
«Nein, ich hab nicht Geburtstag», sagt Martha unfreundlicher als beabsichtigt. «Und ich will das Kleid auch nicht geschenkt. Ich geb deinem Vater das Geld, sobald ich es habe.»
«Wie du meinst.» Johannes gießt sich ein Glas Wein ein. «War ja nur ein Angebot.»
Und ehe Constanze ihr wieder einen ihrer vorwurfsvollen Blicke zuwerfen kann, springt Martha auf. «Ich muss noch lernen, wir schreiben morgen einen Vokabeltest.»
7.
A m Montag kann es Martha kaum erwarten, von der Schule nach Hause zu kommen, aber wieder öffnet keiner auf ihr Klingeln.
Auch am Nachmittag nicht und nicht am Abend.
«Das ist jetzt wirklich komisch», sagt nun sogar ihre Mutter. «Wenn die Dernburg gewusst hat, dass sie länger weg ist, warum hat sie denn dann das Päckchen angenommen?»
«Vielleicht solltest du sie morgen einfach in ihrer Praxis anrufen», schlägt die Glatze vor.
«Hast du ihre Nummer?», fragt Martha.
«Ich? Die Nummer von der Dernburg? Natürlich nicht», erwidert Johannes.
Der aggressive Unterton irritiert Martha. «Entschuldigung, war ja nur ’ne Frage.»
«Die bekommst du ja leicht raus», lenkt Johannes ein.
Sie bekommt sie wirklich leicht raus. Martha gibt
Dr. Dernburg
in die Suchmaschine ein und hat augenblicklich die Praxisadresse plus Telefonnummer.
Martha geht in den Flur zum Telefon.
«Jetzt ist da bestimmt niemand», sagt ihre Mutter, die gerade den Tisch abräumt.
«Aber vielleicht ein Anrufbeantworter», sagt Martha. «Dann kann ich ihr sagen, dass sie sich melden soll.»
Wie erwartet ertönt eine Ansage:
Guten Tag, Sie sind verbunden mit der psychotherapeutischen Praxis von Frau Dr. Dernburg. Leider rufen Sie außerhalb der Sprechzeiten an, diese sind …
Es folgt eine Aufzählung, Martha merkt sich nur Dienstagnachmittag von 15 : 00 bis 18 : 00 Uhr. Eine Nachricht kann sie nicht hinterlassen.
Am Dienstag ruft Martha kurz vor drei in der Praxis an. Wieder ertönt die leicht heisere Stimme vom Band, doch diesmal leiert sie nicht die Sprechzeiten herunter.
… muss ich Ihnen mitteilen, dass in dieser Woche die Sprechstunden wegen terminlicher Überschneidungen leider ausfallen müssen …
Martha möchte das Telefon am liebsten durch die Wohnung schleudern vor Wut. Das kann doch nicht wahr sein!
Terminliche Überschneidungen
, was heißt das denn bitte? Wahrscheinlich ist die alte Schreckschraube nach Mallorca geflogen und röstet wie ein verschrumpelter Brathering in der Sonne.
Sie wählt Jills Nummer und lässt ihren Frust an der Freundin ab.
«Das kann doch nicht sein, dass die blöde Kuh mir alles vermasselt!», schluchzt sie.
«Wo genau wohnt die?», fragt Jill.
«Über uns, im vierten Stock.»
«Wohnt dadrüber noch jemand?»
«Nein, warum fragst du?»
Jill antwortet nicht. «Und die ist schon ziemlich alt, sagst du?»
«Na, über sechzig auf jeden Fall.»
«Meine Oma hat sich früher öfter mal ausgeschlossen, weil sie ihren Schlüssel in der Wohnung liegengelassen oder sonstwie verbaselt hatte und –»
«Was hat denn jetzt deine Oma damit zu tun?», schnieft Martha.
«Irgendwann hat sie ihren Schlüssel unter die Fußmatte gelegt. Guck doch mal nach, vielleicht findest du ihn ja irgendwo.»
Martha ist nicht sehr überzeugt. «Und selbst wenn ich ihn finde, ich kann doch da nicht einfach rein und das Päckchen rausholen.»
«Warum denn nicht? Schließlich gehört es dir. Du musst es natürlich wieder zurückbringen.»
«Zurückbringen?»
«Sonst merkt sie doch, dass einer in der Wohnung war. Du stopfst einfach
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