Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
Mutter stopft ihr dickes Kind in einen Buggy und schiebt ihn ächzend und vor sich hin schimpfend durch den Sand.
«Ist ja besser hier als Kino», ertönt eine bekannte Stimme hinter ihr.
Martha fährt herum. Vincent!
Er grinst sie an. «Da kann man echt soziologische Studien treiben.» Er zeigt auf eine Mutter, die ihr Kind auf der Schaukel anschubst, als würde sie dafür bezahlt, während der Vater unbeteiligt danebensteht und in sein Handy quatscht.
«Ich bin hier mit … verdammt!» Poppy ist schon wieder verschwunden.
Martha läuft zu der Lokomotive. Und atmet auf. Die Kleine hat sich ganz nach hinten verkrochen. «Der dicke Junge soll weg! Weg!»
«Ist er schon längst. Du hast ihn schließlich gehaun. Das macht man nicht», fügt sie wenig überzeugend hinzu.
Vincent ist ihr hinterhergekommen. «Was kriegt man denn so fürs Babysitten?»
Martha geht zurück zur Bank, Vincent setzt sich neben sie.
«Eigentlich nichts. Poppy ist die Tochter vom Freund meiner Mutter.» Martha wundert sich, wie leicht ihr das über die Lippen kommt.
«Patchworkfamilie», sagt Vincent. «Kenne ich.» Er hebt die Hand hoch und zählt an den Fingern ab: «Ich hab eine richtige Schwester, dann hat mein Vater noch mal geheiratet, und ich hab einen Halbbruder bekommen, seine Frau hatte schon zwei Kinder, das sind meine Stiefgeschwister, dazu kommen diverse Onkel, Tanten, Opas und Omas. Interessant ist das eigentlich nur Weihnachten und zum Geburtstag, da gibt’s dann alles doppelt und dreifach.» Er schenkt ihr ein unfrohes Lächeln. «Na ja, nach dem Abi bin ich weg, das sind ja nur noch zwei Jahre.»
«Zwei Jahre können sehr lang sein», sagt Martha.
Poppy kriecht aus der Lok und kommt auf sie zu. «Wie heißt du?» Sie piekst Vincent mit einem sandigen Finger in den Bauch.
«Vincent. Und du heißt Poppy?»
«Penelope», sagt Poppy und spricht es englisch aus.
«Interessanter Name», sagt Vincent. Poppy hebt die Schaufel auf, die neben der Bank liegt. «Baust du mir eine Burg?»
«Na klar.» Zu Marthas Erstaunen steht Vincent auf, hockt sich mit Poppy in den Sand und beginnt damit, eine Burg zu bauen. Es scheint ihm sogar Spaß zu machen. Er schippt und formt und streicht mit den Händen die Sandmauern glatt. Das muss sich Martha aus der Nähe ansehen. Die Burg sieht toll aus: Türme und Erker und Vorsprünge, drum herum ein Graben mit einer Brücke.
«Das ist ja irre!», ruft sie ehrlich erstaunt.
Vincent schaut zu ihr hoch. «Gefällt’s dir?» Sein Gesicht glüht. «Uns fehlt nur noch Wasser für den Burggraben.» Er schwenkt Poppys Eimer.
Martha zeigt auf das Gebüsch und das Klohaus dahinter. «Ich kann welches holen.» Sie muss sowieso mal.
Mit einem gefüllten Eimer kommt sie zurück, Poppy reißt ihn ihr aus der Hand. «Ich will!», ruft sie und kippt das Wasser so schwungvoll in den Graben, dass ein Teil der Burgmauer weggerissen wird.
«Tolpatsch», sagt Martha.
«Kein Problem, das haben wir gleich», sagt Vincent und füllt das Loch mit neuem Sand. Seine Hände sind dreckverkrustet. «So, nun hast du deine Burg. Ich unterhalte mich noch ein bisschen mit Martha, einverstanden?»
«Maahta ist meine Schwester. Und das sind Schiffe.» Poppy wirft Ahornnasen ins Wasser.
«Ich bin nicht deine richtige Schwester», sagt Martha. «Ich bin deine Stiefschwester.»
Poppy sieht sie an. «Aber eine Stiefschwester ist böse wie bei Aschenputtel. Du bist nicht böse.»
«Natürlich ist Martha nicht böse», sagt Vincent. «Das ist eine ganz Liebe.»
Martha spürt, wie sie rot wird. Dann schaut sie auf die Uhr. Über eine Stunde ist bereits vergangen, und sie hat es gar nicht gemerkt. «Wir müssen los.»
«Gib mir zwei Minuten», sagt Vincent. «Will mir nur mal eben die Hände waschen.» Er geht zum Klohaus.
Martha setzt sich wieder auf die Bank und sieht zu, wie Poppy mit der Burg spielt.
«Willst du Architekt werden?», fragt sie Vincent, als er vom Händewaschen zurückkommt.
«Erraten. Und du?»
Martha zuckt mit den Achseln. «Keine Ahnung.»
«Nicht Schauspielerin?»
«Wie kommst du denn darauf?»
«Na, das wollen doch alle, die in der Schauspiel- AG sind», sagt er.
«Du warst am Anfang doch auch dabei», sagt Martha.
Vincent schaut sie vielsagend an. Und Martha wird schon wieder rot.
«Jill wollte unbedingt, dass ich mitmache», sagt Martha. Natürlich wird sie Vincent nicht auf die Nase binden, dass der wahre Grund Alexander Miller ist. «Und was Jill betrifft, hast du recht, die will
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