Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
gibt?»
«Die haben überhaupt nicht viel gesagt, nur dass sie den Todeszeitpunkt jetzt eingrenzen können und dass ich anscheinend die Letzte bin, die sie lebend gesehen hat.»
Die Kellnerin stellt die Getränke auf den Tisch.
«Ach ja, sie haben mich noch nach dem Schlüssel gefragt», sagt Martha und beißt in den Mandelkeks, der auf der Untertasse liegt.
«Dem aus dem Blumentopf?»
Martha schüttelt den Kopf. «Nein, nach dem Wohnungsschlüssel von der Dernburg, ob ich den gesehen hätte. Hab ich aber nicht. Ich habe gehört, wie sie aufgeschlossen hat, aber ihren Schlüssel hab ich wirklich nicht gesehen, vielleicht hatte sie ihn in der Manteltasche.»
Jill nippt an ihrem Cappuccino, sie kann stundenlang mit einem Getränk zubringen, während von Marthas Latte nur ein kleiner Rest übrig ist.
«Wenn die nach dem Schlüssel gefragt haben, dann haben sie ihn nicht gefunden. Interessant.»
«Du meinst, der Mörder hat ihn mitgenommen?» Martha kommt ein schrecklicher Gedanke. «Dann kann er ja jederzeit bei uns ins Haus!»
«Du bist vielleicht naiv, wer ins Haus will, kommt doch sowieso rein. Du musst nur irgendwo klingeln, sagen ‹Werbung›, und schon macht einer auf.»
Da hat Jill recht. Trotzdem ist der Gedanke, dass der Mörder mit dem gleichen Schlüssel herumläuft, den auch Martha in der Hosentasche hat, nicht sehr angenehm.
«Die Frage ist nur, warum hat der Mörder den Schlüssel mitgenommen?», überlegt Jill.
«Vielleicht wollte er noch einmal zurück in die Wohnung, weil er da was vergessen hat.»
«Das glaube ich nicht. Er konnte doch nicht wissen, wann die Leiche entdeckt wird, das wäre viel zu gefährlich gewesen. Außerdem hätte es ja sein können, dass ihn jemand bei euch im Haus sieht.»
«Tagsüber begegnet man bei uns kaum jemandem», sagt Martha. «Der Typ unter uns ist eh nie da, und die Wohnung im ersten Stock steht leer.»
Jill leckt genüsslich Milchschaum vom Löffel. «Hast du nicht erzählt, die Dernburg hätte eine Praxis? Vielleicht wollte er da was holen?»
«Betäubungsmittel, meinst du?»
«Ist sie denn eine richtige Ärztin oder nur Psychotherapeutin?», fragt Jill. «Nur Ärzte dürfen Psychopharmaka verschreiben.»
Das weiß Martha nicht.
«Wenn das jetzt aber ein Junkie war, der Drogen wollte, dann wird der ja wohl kaum fünfzigtausend Euro haben, oder?»
Jill lächelt. «Aha, Martha-Mäuschen ist einer kleinen Erpressung doch nicht mehr abgeneigt.»
«Das hab ich nicht gesagt.» Martha nimmt den letzten Schluck.
«Kommst du noch mal mit zu
Made in New York
?», fragt Jill. «Ich will gucken, ob die eine Federboa haben. Ich glaube, es würde zu Blanche passen, mit so einem Ding herumzuwedeln. Und am Ende, wenn sie dann in die Klapse muss, zerfetzt sie es.» Sie macht die entsprechenden Bewegungen.
«Aber du kannst sie nicht kaputt machen, wir spielen das Stück doch zweimal», sagt Martha.
Jill winkt ab. «Das zweite Mal ist ja nur für die Schüler, das interessiert mich nicht. Die Premiere ist wichtig.»
Sie beugt sich über den Tisch, als wollte sie Martha ein großes Geheimnis verraten. «Mein Vater nimmt die ganze Vorstellung auf. Dann hab ich gleich ein Demoband für die Schauspielschule.»
«Miller wollte doch auch Aufnahmen machen.»
Jill winkt ab. «Ach der. Darauf möchte ich mich lieber nicht verlassen. Von Technik hat der doch keine Ahnung.»
«Woher willst du das wissen?»
«Denk dran, wie er gestern eine halbe Stunde lang mit dem Beamer gekämpft hat. Wenn ihm da nicht Vincent geholfen hätte, wüssten wir immer noch nichts über britische Kolonien und Protektorate.» Jill verdreht die Augen.
«Wär auch nicht schade», sagt Martha. Und beide lachen.
Martha kommt ziemlich gut gelaunt nach Hause. Jill hat nicht nur eine weiße Federboa gefunden, sondern auch einen altmodischen blau-weiß gepunkteten Haarreifen, der perfekt zu Marthas Kleid passt.
Sie hat kaum die Tür geöffnet, da spürt sie, dass etwas passiert sein muss. Poppy sitzt vor dem Fernseher, den Daumen im Mund, und gluckst vor Vergnügen. Wenn das Monster einfach so vor der Glotze geparkt wird, dann stimmt etwas nicht. Durch die geschlossene Schlafzimmertür hört Martha Constanze und Johannes. Sie streiten. Das haben sie noch nie getan. Martha weiß nicht, ob sie sich freuen soll oder nicht. Sie geht näher an die Tür heran.
«Warum um alles in der Welt hast du das der Polizei denn nicht gesagt?», hört sie ihre Mutter mit dieser sich überschlagenden Stimme,
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