Am Ende der Treppe, hinter der Tür (German Edition)
die sie immer bekommt, wenn sie sich über etwas fürchterlich aufregt.
Sie kann nicht verstehen, was Johannes erwidert. Und zuckt zurück, als plötzlich die Tür aufgeht und Constanze vor ihr steht.
«Was machst du denn hier?», fährt sie Martha an.
«Ich wohne hier, hast du das vergessen?», gibt Martha ebenso laut zurück. «Leider.»
Ihre Mutter fährt sich über die Augen. «Entschuldige, ich –»
«Habt ihr euch gestritten?»
«Gestritten? Nein, nein, wir haben nur unterschiedliche Ansichten über – ist ja auch egal.» Constanze versucht ein Lächeln, aber es gelingt ihr nicht. «Würdest du mit Poppy rausgehen? Auf den Spielplatz? Sie war heute noch gar nicht an der frischen Luft.»
«Ist sie ein Hund, mit dem man Gassi gehen muss?», knurrt Martha. «Und auf den Spielplatz gehe ich schon gar nicht mit ihr. Da ist sie mir neulich abgehaun.» Kaum hat sie das gesagt, bereut sie es auch schon.
«Abgehauen?», fragt ihre Mutter erstaunt. «Das musst du mir erklären.»
Martha weiß nicht, was sie sagen soll, die Wahrheit bestimmt nicht. Wenn ihre Mutter mitbekommt, dass sie Poppy für einen kurzen Moment aus den Augen gelassen hat, dann gibt es einen Riesenkrach.
«Na ja, sie ist einfach in der Lokomotive verschwunden, und ich hab sie nicht gesehen und wie blöd alles nach ihr abgesucht.»
Constanze nickt. «Das kenne ich, in der Lok versteckt sie sich am liebsten.» Sie fasst Martha an den Schultern und sieht sie eindringlich an. «Bitte! Tu mir den Gefallen.»
Martha zuckt mit den Schultern. «Gut, ich gehe mit ihr raus, aber nicht länger als eine Stunde, okay?»
Ihre Mutter gibt ihr fünf Euro. «Kauft euch was Süßes.»
Martha steckt das Geld ein. Sie wird nichts Süßes kaufen, erstens ist das ungesund, zweitens hat sie schon wieder Schulden bei Jill. Die hat ihr das Geld für den Haarreifen geliehen. Es ist erst Mitte des Monats, aber Marthas Taschengeld ist bereits alle.
Poppy mit ihren Luchsohren hat natürlich das Stichwort «Süßes» aufgeschnappt und kommt angesaust. «Ich will Gummibärchen, eine ganz große Tüte!»
Constanze zieht Poppy die neue blaue Jacke an, die sie ihr nach dem Zwischenfall mit dem Hundehaufen gekauft hat. Dann bückt sie sich, um ihr die Schuhe zuzubinden. Martha schaut auf ihre Mutter herab, wie sie sorgfältig einen Doppelknoten in die Schnürsenkel macht.
«Hast du mir früher auch immer die Schuhe zugebunden?», fragt sie.
Constanze blickt zu ihr hoch. «Natürlich hab ich das.»
«Wie lange? Ich meine, ab wann konnte ich das denn allein?»
«Hm, lass mich überlegen, ich glaube, das hast du ziemlich schnell gelernt. So mit vier.» Sie lächelt. «Du hast die Schnürsenkel immer so fest zugeknotet, dass man sie fast nicht mehr aufbekam. Einmal musste ich sie aufschneiden.»
«Hörst du, Penelope, in deinem Alter muss man das allein können», sagt Martha.
Poppy schüttelt den Kopf. Sie läuft in ihr Zimmer und kommt mit dem abgewetzten Fisch zurück.
«Flossy lassen wir lieber hier», sagt Marthas Mutter. «Der wird sonst sandig.»
«Dann wasch ich ihn wieder», sagt Poppy.
Und ehe sie erzählen kann, dass sie genau das neulich gemacht hat, als sie mit dem Vater von Leonie auf dem Männerklo war, sagt Martha schnell: «Lass sie doch, Mama. Ich pass schon auf, dass er nicht dreckig wird.»
Auf dem Weg zum Spielplatz überlegt Martha, worüber ihre Mutter und Johannes wohl gestritten haben könnten. Irgendwas war da mit der Polizei, irgendetwas, das Johannes nicht gesagt hat. Es konnte nur um den Mord gehen, aber was hat Johannes damit zu tun?
Als sie am Spielplatz ankommen, will Poppy in der Lokomotive verschwinden, aber da hockt schon ein kleiner dicker Junge und rührt sich nicht vom Fleck. Auch nicht als Poppy ihn anschreit: «Geh weg! Das is mein Platz!»
Schließlich nimmt sie ihre Plastikschaufel und haut sie dem Jungen auf den Kopf. Sofort kommt die Mutter, reißt Poppy die Schaufel aus der Hand und nimmt ihren brüllenden Sohn in den Arm.
«Gehört die zu Ihnen?», faucht sie Martha an. «Die ist ja gemeingefährlich.» Sie überreicht Martha die Schaufel mit einem Gesicht, als handele es sich dabei um eine tödliche Waffe. «An Ihrer Stelle würde ich der die Schaufel nicht mehr geben, wer weiß, wen sie noch damit verprügelt.»
«Tja, das weiß man bei ihr nie», sagt Martha ruhig und freut sich über das dumme Gesicht der Frau.
Poppy sitzt mit weit aufgerissenen Augen in der Lok und saugt heftig an ihrem Daumen.
Die
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